Verlagsinformation:
Gestützt
auf Recherchen vor Ort, auf neue Interviews mit Cesare Maestri, mit dessen
Freunden, Seilpartnern und Kritikern rekapituliert der Autor die aufregende
Geschichte der Erstbesteigung des Cerro Torre.
Er
ist nur ein Dreitausender und doch einer der mächtigsten Berge der
Welt: der Cerro Torre. Stolz ragt die Granitnadel in den ozeanblauen Himmel
der Anden, umgeben vom blendenden Weiß der Gletscher – mit dem Fitz
Roy bildet der Cerro Torre für Kletterer den magischen Anziehungspunkt
Patagoniens. Sein Name ist schicksalhaft verbunden mit Cesare Maestri,
der heute zurückgezogen in Madonna di Campiglio lebt und noch immer
die erste geglückte Besteigung des Cerro Torre für sich reklamiert.
Mit seinem Seilgefährten Toni Egger will er 1959 den Gipfel erreicht
haben, beim Abstieg aber begrub der »unmögliche Berg«
Egger unter einer Lawine. Maestri konnte gerettet werden, sein Partner
blieb verschollen und mit ihm die Fotos und unwiderlegbaren Beweise für
den Triumph. Schon bald wurden Zweifel an Maestris tragischem Sieg laut.
Und so mußte er zurückkehren und sich erneut seinem größten
Gegner stellen.
Kommentar:
Beklemmendes
Psychogramm eines unmöglichen Menschen
Werner
Herzog, Regisseur des Films "Schrei aus Stein", den er 1991
am Cerro Torre drehte, sagte einst über den Cerro Torre: "Der
Cerro Torre hat Eigenschaften, wie sonst nur Menschen haben; er hat etwas
Böses, etwas Mysteriöses, etwas Schreckenerregendes".
Tatsächlich wurde kein anderer Berg der Erde mit solch extremen Attributen
wie "der schwierigste Berg", "der unmögliche Berg",
der "wunderbare Berg am Ende der Welt" oder "schönste"
bedacht. Extrem ist der Berg in jeder Hinsicht und mysteriös seine
Geschichte. Maßgeblich
an seinem Mythos beteiligt Cesare Maestri, der sich kaum wie je ein Mensch
mit einem einzigen Berg identifiziert, ja sich mit ihm ein Duell auf Leben
und Tod geliefert hat. Maestri war einst bereit, für den Berg seiner
Träume alles zu geben und zu riskieren, heute wünscht er, dass
der Torre "zu Staub zerfallen möge, und er würde noch
auf ihn spucken".
Es
begann damit, dass er zusammen mit dem Österreicher Toni Egger im
Februar 1959 den Gipfel erreicht. Im Abstieg wird Egger von einer Lawine
in die Tiefe gerissen - und mit ihm die Fotokamera mit den Beweisen der
Gipfelbesteigung. Maestri überlebt mehr tot als lebendig, mehr verrückt
als bei Sinnen, und erklärt: Ja, sie waren oben! Im Laufe der Jahre
jedoch und nach vielen weiteren gescheiterten Expeditionen zum Cerro Torre,
mehren sich die Gerüchte, dass Maestri und Egger gar nicht am Gipfel
gewesen seien. War die "größte Leistung des Alpinismus"
in Wahrheit ihr größter Betrug? Die Gerüchte und Anklagen
verstummen nie wieder, nichts und niemand kann Maestri rehabilitieren:
nicht sein Freund Cesarino Fava, der Ideengeber der Torre-Expeditionen,
und nicht einmal seine zweite Torre-Besteigung 1970 über die heute
"Kompressor-Route". Maestri ist und bleibt bis heute ein Gefangener
eines Berges, ein Besessener, ein alpiner Don Quijote, der zusammen mit
Sancho Panza, seinem Freund Fava, gegen eine Windmühle namens Cerro
Torre kämpft. Und Maestri selbst unterstreicht diese Besessenheit
in einem Brief, den er vor dem vermeintlichen Gipfelgang schreibt: "Wenn
ich nicht wiederkehre, so sagt den Leuten, dass ich dort oben auf dem
Torre den 'Sinn meines Lebens' gesucht habe."
Und
genau dieses tragische Psychogramm eines süchtigen, eines besessenen
Menschen, der nur ein Lebensziel verfolgt, nämlich auf dem Gipfel
eines Berges zu stehen, zeichnet Autor Meier-Hüsing in beklemmender,
realistischer, auf jeden Fall in bravouröser Weise. Maestri sei seelisch
an diesem Berg zerbrochen, "der 'Anarchist am Berg', der für
sich die größtmögliche Freiheit proklamierte und sie jedem
anderen ebenso zusprechen wollte, ist ein Unfreier geworden, ein Gefangener
des eigenen Tuns und des eigenen Mythos", resümiert Meier-Hüsing.
Mit "Der unmögliche Berg" bezweckt Meier-Hüsing
nach eigenen Angaben zweierlei: einmal die Geschichte von Cesare Maestri
und seinem Schicksalsberg zu erzählen, zum zweiten die Protagonisten
selbst zu Wort kommen lassen, die Kletterer von damals und heute, die
Kritiker und die "Gläubigen". Und es gelingt Hüsing
famos: In spannungsgeladenem Stil liefert er eine ungemein packende Studie
eines Besessenen, der sich einem einzigen Lebensziel verschreibt und daran
zerbricht. Es gelingt Meier-Hüsing aber auch die genaue Zeichnung
einer Kletterseele, ja der Seele der damaligen Bergsteigerszene, die sich
bis auf die Knochen bekämpft, einander zu übertrumpfen und zu
verdrängen versucht, sich nichts schenkt, nichts vergibt. Und es
gelingt ihm all das, ohne selbst Stellung zu beziehen - was vielleicht
das wichtigste Qualitätsmerkmal dieses Buches ist.
So
atemlos, wie Maestris Leben ablief, so atemlos schreibt Hüsling und
so atemlos liest man diese Biografie. Insofern könnte man das Buch
ruhig auch "Der unmögliche Mensch. Cesare Maestri und der
Mythos Cerro Torre" nennen - es träfe den Gehalt der Biografie
vielleicht noch besser.
Endlich wieder alpine Lektüre, die sich an einem Nachmittag in einem
Zug verschlingen lässt.
Zum
Autor:
Peter
Meier-Hüsing, geboren 1958, studierte Religionswissenschaften
und arbeitet seit fast 20 Jahren mit Leidenschaft als Reporter, Autor
und Redakteur für den Hörfunk und verschiedene Zeitschriften.
Der begeisterte Bergsteiger, Skifahrer und Fotograf lebt mit seiner Familie
bei Bremen. Von ihm erschienen: "Wo die Schneelöwen tanzen"
und "Der unmögliche Berg".
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