Verlagsinformation:
Der
gewaltige Annapurna ist ebenso faszinierend wie gefährlich, innerhalb
einer Sekunde kann das Schicksal über Leben und Tod entscheiden.
Jean-Christophe Lafaille, der als leistungsfähigster französischer
Alpinist gilt, hat dies bei seiner Besteigung 1992 erlebt: Beim Aufstieg
löste sich ein Haken, sein Seilkamerad Pierre Béghin stürzte
in die Tiefe und war tot. Lafaille, selbst am Arm verletzt, brauchte fünf
Tage, um den Berg ohne Seil und Haken hinunterzusteigen. "Ich
brauchte Jahre, um über dieses Drama sprechen zu können. Seitdem
ist die Angst vor dem Sturz immer gegenwärtig..." 2002,
nach zahlreichen Exkursionen, steht der Gebirgssprinter - die Geschwindigkeit,
mit der er sich in die Höhe bewegt, ist sein Kennzeichen - doch auf
dem Gipfel des Annapurna. Heute fehlen Lafaille nur noch zwei Achttausender,
um sein Ziel zu erreichen, zu der kleinen Gruppe der Bergsteiger zu zählen,
die alle vierzehn Gipfel erfolgreich bezwungen haben.
In seiner Karriere als Bergsteiger ging es Lafaille aber nie darum, mit
sportlichem Ehrgeiz einen Gipfelrekord an den nächsten zu reihen,
vielmehr folgt er bei jeder Besteigung eines Achttausenders seinen eigenen
Prinzipien: so ist er stets ohne künstlichen Sauerstoff unterwegs,
ist ein Anhänger des Alpinstils und bewegt sich im ständigen
Bewusstsein um die Macht der Natur.
Kommentar:
Glücklicher
Sisyphos
"Ich
würde zehn Achttausender für nur zehn Minuten auf der Annapurna
geben!", gesteht Jean-Christophe Lafaille in diesen packend geschriebenen
Erinnerungen. Was Lafaille als Bergsteiger sympathisch macht, dass er
stets im fairen Alpinstil unterwegs ist und die Macht der Natur kompromisslos
anerkennt. Gleichzeitig kennzeichnen ihn ein unbändiger Wille und
die Überzeugung, selbst schwierigste Situationen meistern zu können,
aber auch die Vernunft im richtigen Moment aufzugeben. Auf eben diese
Gratwanderung zwischen dem Glauben, die Natur bezwingen zu können,
und dem Gefühl des Ausgeliefertseins an die natürliche Urkraft,
nimmt Lafaille den Leser mit. Vor allem der Umgang mit dem Scheitern und
dem Tod lässt Lafaille - auch als Alpinist - über sich hinauswachsen,
wie etwa beim zweiten Annapurna-Versuch: "Fast drei Jahre minutiöser
Vorbereitung, und dann das! Drei Jahre mühsamer Rekonvaleszenz, um
mich einmal mehr geschlagen zu geben! Am Morgen des 20. gehe ich unter
Aufbietung der letzten Kräfte noch einmal zum Angriff über,
lasse den Bergschrund hinter mir - und stehe erneut hüfttief im Schnee!
Die Vernunft gebietet mir, die Sache zu beenden." Es wundert
nicht, dass sich Lafaille - Camus zitierend - als "glücklichen
Sisyphos" sieht: "Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz
auszufüllen. Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen
Menschen vorstellen." Wieder und wieder läuft er gegen die
schwierigsten Probleme der Berge an.
Und
auch als Autor weckt er Sympathien, zumal er den Mut hat, offen seine
Fehler einzugestehen und manch tiefen Blick in die turbulente Gefühlswelt
eines Spitzenbergsteigers zu gewähren. Die Erinnerungen an seinen
"Schicksalsberg" sind kein arrogantes und schwer verdauliches
Heldenepos, wie man es heute von Extremalpinisten so gern vorgesetzt bekommt,
sondern das aufrichtige Zeugnis eines ehrlichen und bescheidenen Menschen,
der sehr wohl mit sich hadern kann und eingestehen, dass der Berg nun
mal stärker ist als er. Zu denken gibt dem Leser allerdings die Grenze
des Risikos, die Lafaille stets bewusst überschreitet und erweitert.
Aber genau das dürfte zu seinem Selbstverständnis als Künstler
passen: "Die erstmalige Begehung einer Route ist meinem Verständnis
nach ein künstlerischer Vorgang. Ich sehe darin etwas Schöpferisches.
Jede Bewegung, Meter für Meter, gleicht einem Pinselstrich, bis das
endgültige Werk entsteht. ... Die Farben ergeben sich für mich
aus erlebten Momenten, Ängsten und Freuden, die ich in meinem Inneren
speichere und aus denen ein unendlich persönliches Werk entsteht.
Ich wüsste kein schöneres und intimeres Ausdrucksfeld als die
Berge."
So ist auch dieses Buch ein kleines Kunstwerk.
Zum
Autor:
Jean-Christophe
Lafaille wurde 1965 in Frankreich geboren. Er ist verheiratet, hat
drei Kinder und lebt mit seiner Familie in der Nähe von Chamonix.
In den Sommermonaten ist er als gefragter Bergführer und Motivationstrainer
tätig oder hält fesselnde Vorträge über seine Expeditionen.
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