Klappentext:
Ein
Mann will in der DDR ganz nach oben - ohne Parteibuch, aber mit zuverlässigen
"Seilschaften". Denn eines Tages hat er im mausgrauen DDR-Alltag
entdeckt, welch ein Genuss Freiheit, Selbstbestimmung und Risikobereitschaft
sein können: Er besteigt am 27. Februar 1966 seinen ersten Gipfel
in der Sächsischen Schweiz. Von diesem Tag an dreht sich für
ihn alles ums Bergsteigen: Er nimmt an Expeditionen ins Rila-Gebirge (Bulgarien),
in den Kaukasus und im Pamir (ehemalige Sowjetunion) teil. In knapp 7000
Metern Höhe ereilt seine Seilschaft dann 1975 am Pik Lenin ein schwerer
Schicksalsschlag. Trotzdem packt ihn wieder das Gipfelfieber, und die
Sehnsucht nach Freiheit wächst. 1986 stellt er einen Ausreiseantrag.
Schikanen und berufliche Nachteile sind die Folge. Fast zeitgleich mit
dem Fall der Mauer 1989 erhält die Familie die Ausreisegenehmigung.
Jetzt kann Klaus Friedrichs die Westgipfel erobern, die zuvor für
einen DDR-Bürger so unerreichbar waren wie der Mond.
Kommentar:
Aus
dem Käfig auf die Gipfel der Welt
Zugegeben,
man geht etwas argwöhnisch an die Memoiren eines Mannes, den man
nicht kennt. Schließlich hat man ja schon zig elendslangweilige
Biografien großer Bergsteiger-VIPs über sich ergehen lassen,
die vor Selbstdarstellung und Egomanie überquellen und wo die Grenzen
zwischen Dichtung und Wahrheit ineinander verfließen. Dann liegt
also eines Tages das Buch "Ost-West-Gipfel" eines Herrn Klaus
Friedrichs im Postkastl, nie von ihm gehört, die Erinnerungen eines
Unbekannten, eines Ostdeutschen. Aber man nimmt es brav zur Hand, schließlich
hat man sich die Mühe gemacht, es mir zuzuschicken, und beginnt zu
lesen ... und liest es in einem Zug aus! Schon das ein Qualitätsmerkmal
für eine Biografie.
Tatsächlich schmökern sich die 175 Seiten ausgesprochen flüssig,
zügig und fesselnder als die meisten Promi-Vitas. Und auch in einem
zweiten Punkt unterscheidet sich "Ost-West-Gipfel" von vielen
anderen Werken desselben Genres: Friedrichs stellt sich nicht auf ein
Podest, verzichtet auf jede Selbstüberhöhung, sondern erzählt
ehrlich und munter drauf los, dass es ein Spaß ist, ihn aus der
muffigen Enge der DDR auf den Elbrus, den Aconcagua, den Kilimanjaro,
in die kanadischen Rocky Mountains, durch die Wüste Sinais bis zum
Nordpol zu begleiten.
Hochinteressant
der Blick hinter die Mauern der historischen DDR, die einem Bergfex wie
der Käfig eines Wellensittichs vorgekommen sein müssen. Friedrichs
lässt auch nichts unversucht, über die Gitterstäbe hinweg
in ferne Länder zu gelangen – was weiß Gott schwierig genug
ist. So gesehen wird ihm die Freiheit auf den Bergen sprichwörtlich:
"Im mausgrauen DDR-Alltag fanden wir beim Klettern eine Nische,
die ein wenig Freiheit und selbst bestimmte Risikobereitschaft zuließen."
Die Fluchtburg Berg gewinnt für Friedrichs existentielle, wenn nicht
lebensnotwendige Bedeutung. Was uns Westeuropäern immer schon selbstverständlich
war und ist, sich nämlich bei einer Reiseagentur anzumelden und loszufliegen,
ist für einen DDR-Bürger beinahe ein Ding der Unmöglichkeit:
Bürokratische Hürdenläufe, ideologische Verrenkungen, Schikanen,
Kniefälle, Angst um Arbeitsplatz und Familie waren nicht die einzigen
Hürden auf dem Weg zu den Gipfeln der Welt. Meist reichte das kaum
vorhandene Geld nicht, sodass etwa Steigeisen selbst hergestellt werden
mussten. Und schaffte man es schließlich endlich doch an den Fuß
des Traumberges, konnte noch immer der lange Arm der DDR-Big Brothers
einen Gipfelgang durchkreuzen. Die Hauptspannung in Friedrichs Erinnerungen
entsteht weniger um die Frage, ob er den Gipfel erreicht, sondern ob er
überhaupt in den Schatten seiner Traumgipfel gelangt. So gesehen
machen Friedrichs Erinnerungen auch betroffen: Wenn ihm am Elbrus von
"Kontrolloren" der Gipfel verwehrt wird, wenn er Gefahr läuft,
für seine Leidenschaft seinen Arbeitsplatz zu verlieren, wenn ihm
am Pik Lenin ein folgenschwerer Schicksalsschlag ereilt, wenn er immer
wieder fällt, jedoch genauso oft wieder aufsteht, nie aufgibt.
Als
packend geschriebenes, aufrichtiges und ungeschminktes Zeitzeugnis ist
"Ost-West-Gipfel" absolut zu empfehlen.
Zu
den Autoren:
Klaus
Friedrichs wurde 1939 in Sommerfeld (Niederlausitz) geboren. Bis zur
Ausreise arbeitete er als Dilpom-Ingenieur in Heidenau und Dresden. Heute
ist er Rentner und lebt in Weinheim an der Bergstraße.
Carsten Propp, geboren 1964 in Mannheim, ist Lokalredakteur
bei einer Tageszeitung. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. 2004 ist
sein erstes Buch, die Biographie "Fred Knorre - kleiner Kellner,
weite Welt", erschienen.
Bezugsadresse:
Klaus
Friedrichs, Karlsberg 7, 69469 Weinheim; E-Mail: klaus.friedrichs@web.de
Preis: 11,80 + Versandspresen = 15,- Euro
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