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Tichy

Herbert Tichy

Zum heiligsten Berg der Welt

Auf Landstraßen und Pilgerpfaden in Afghanistan, Indien und Tibet

2007, erweiterte Neuauflage, Edition Sonnenaufgang, ISBN 978-3-9501591-2-7, 227 Seiten

Verlagsinformation:

Von Bombay über Agra und Kalkutta nach Burma und wieder nach Westen über Nordwestnepal nach Tibet zum Heiligen Berg Kailas führte den erst 23-jährigen Herbert Tichy seine abenteuerliche Reise, die er teils auf dem Motorrad, teils zu Fuß zurücklegte. Mehr als 70 Jahre liegt diese zweite ausgedehnte Expedition nach Asien zurück - die erste hatte der junge Geologiestudent zwei Jahre zuvor, 1933, mit Max Reisch, ebenfalls auf dem Motorrad absolviert.

„Zum Heiligsten Berg der Welt“ erscheint 1937 zum ersten Mal und ist der Beginn der reichen und erfolgreichen Tätigkeit Herbert Tichys als Schriftsteller. Die besondere Fähigkeit, in ganz unspektakulärer Weise seine großen Abenteuer zu erzählen und sich dabei selbst auch immer mit einer Portion Selbstironie zu betrachten, ist von Anfang an da. Faszinierend erscheint Tichys Reise, die er in „Zum heiligsten Berg der Welt“ erzählt, nicht nur hinsichtlich des Wagnisses zu dieser Zeit mit einem Motorrad und zu Fuß durch unbekannte Gegenden zu reisen, sondern auch aus der Sicht der aktuellen weltpolitischen Situation. Während Tibet heute durch die chinesische Eingliederung viel leichter zugänglich ist – erst kürzlich wurde Llhasa mit dem chinesischen „Mutter“land durch eine mehr als 1100 Kilometer lange Eisenbahnstrecke verbunden – sind Afghanistan und Irak derzeit für Reisende bezüglich Sicherheit nicht besonders empfehlenswert – viel weniger noch als zu Tichys Zeiten. So ist dieses erste Buch von Herbert Tichy also nicht nur ein fesselnder Bericht einer abenteuerlichen Reise, sondern auch ein spannendes Zeugnis der Kulturgeschichte.

Als 2. Projekt der Edition Sonnenaufgang liegt diese Reisebeschreibung nun genau 70 Jahre nach der Ersterscheinung wieder auf. Wie schon die „Cho Oyu“-Neuauflage ist auch diese um aktuelle Beiträge erweitert, sowie mit Illustrationen von Herwig Zens zu einigen der Originalphotos bereichert. Eine kleine österreichische Bergsteigergruppe hat 2004 - teilweise auf gleicher Route wie Tichy - durch Nordwestnepal und nach Tibet zum Kailas eine Tour unternommen und berichtet mit aktuellem Photomaterial – das sich gar nicht sehr von den historischen Aufnahmen unterscheidet.


Martin Grabner, Der Standard, Österreich:

Mitte der Dreißigerjahre des vergangenen Jahrhunderts mit dem Motorrad durch Indien, Burma, Afghanistan und auf dem Landweg wieder zurück nach Europa zu reisen war ein ordentliches Abenteuer. Der damals 23-jährige Wiener Herbert Tichy wagte dieses Unternehmen und noch einiges mehr. Als indischer Pilger verkleidet, erreichte und umrundete er zu Fuß mit ein paar einheimischen Gefährten den heiligen Berg Kailash in Tibet. Für Europäer war diese Reise damals noch streng verboten - und gefährlich. Wurde man erwischt, drohte Folter und Tod. Der über 6000 Meter hohe Eisriese ist für Buddhisten und Hindus der Sitz der Götter, der Mittelpunkt der Welt. Seine Umrundung bringt für beide Glaubensgemeinschaften Reinigung von den Sünden, Erleuchtung und ist somit ein wichtiger Schritt ins Nirwana.
Zurück in Österreich, veröffentlichte Tichy mit seinem ersten Buch "Zum heiligsten Berg der Welt" einen umfassenden Bericht über diese abenteuerliche Reise. 1937 hatten die Menschen zwar andere Sorgen, trotzdem ließen sie sich von Herbert Tichy in die fremden, unbekannten Welten Asiens entführen. Das Buch wurde ein Erfolg und war für ihn gleichzeitig der Beginn seiner langjährigen Tätigkeit als Reiseschriftsteller. Über 25 Bücher hat er veröffentlicht, heute sind sie alle vergriffen oder nur beschränkt antiquarisch erhältlich.
Mit "Zum heiligsten Berg der Welt" wurde heuer anlässlich der siebzigjährigen Ersterscheinung ein zweiter Schritt gesetzt, und tatsächlich haben die spannenden Geschichten der Kailash-Umrundung oder der Reisen durch Indien und Afghanistan bis heute nichts von ihrer Faszination verloren.
Mit einem von der Firma Puch zur Verfügung gestellten Motorrad schiffte sich Tichy damals nach Bombay ein. In Österreich hatte er als "Österreichische Zentralasien-Expedition" erfolgreich Sponsoren aufgetrieben und sogar einen Vorschuss als Sonderberichterstatter einer Berliner Illustrierten erhalten. Sein Doktorvater von der Wiener Universität ermöglichte ihm außerdem, die Doktorarbeit in Geologie über Gesteinsarten im Himalaja zu verfassen. 1937 promovierte Tichy dann auch erfolgreich.
Die Reise mit dem Motorrad war für ihn nichts Neues, hatte er doch bereits im Jahr 1933 als Sozius von Max Reisch Indien kennengelernt. Neu war diesmal nur, dass er selbst fahren und kleine Reparaturen bewerkstelligen musste. Kein leichtes Unterfangen für den 23-jährigen Geologie-Studenten. So schrieb er später: "Es entsprach mehr der Güte der Maschine als jener des Fahrers, dass wir schließlich wieder unversehrt die Heimat erreichten." Mitten in der Monsunzeit erschwerten aufgeweichte Straßen ein vernünftiges Weiterkommen. Immer mit dabei sein Freund Chatter Kapur, ein junger indischer Student, der mächtig stolz darauf war, auf der knatternden Maschine mitfahren zu dürfen.
Nach Afghanistan musste Tichy dann aber allein, weil Kapur kein Visum bekam. Immer wieder traf er dort auf grimmige afghanische Männer, die ihn, ihre langen Flinten geschultert, misstrauisch musterten. Bald saßen sie jedoch zusammen, um in Freundschaft eine Wasserpfeife zu rauchen und Tee zu trinken.
Die Einheimischen wunderten sich über den seltsamen Fremden mit dem "zweirädrigen Auto" oder "stinkenden Teufel", wie sie das Motorrad nannten, wenn sie ihm weniger wohlgesinnt waren. Seine Eindrücke von diesem gefährlichen Land schildert er danach im Buch so: "Lebt wohl, ihr wunderbaren Afghanen mit euren Gewehren und Festungen! Um wie vieles ungefährlicher seid ihr mit euren kindlichen Herzen als die Politiker und Rüstungsfachleute des Westens, die oft so schöne Reden halten!"
Anschließend besuchte Tichy in Burma den Manpan-See, den "See des Lächelns", mit den berühmten Bein-Ruderern. Er brachte es dort zu einer gewissen Bekanntheit, vor allem wegen seiner ungeschickten Versuche, die Rudertechnik der Fischer nachzuahmen. Dabei fiel er jedes Mal ins Wasser, was Tichy im Buch mit einiger Selbstironie schildert.
Dann aber der Höhepunkt der Reise zum heiligen Berg nach Tibet. Tichy engagierte dafür zusätzlich den nepalesischen Träger Kitar, einen bergerfahrenen Mann, der schon etliche Male bei englischen Mount-Everest-Expeditionen dabei war. Freund Kapur und ein sechzehnjähriger Hindujunge bildeten den Rest dieser Mini-Expedition.
Tichy wollte zwar als indischer Pilger verkleidet das ganz normale, entbehrungsreiche Leben dieser Menschen auf dem Fußmarsch führen, trotzdem schlug aber der Europäer in ihm durch und somit der Forscherdrang und das Bedürfnis, Herausforderungen suchen zu müssen. Der Pilgerweg führte am 7730 Meter hohen Gurla Mandata vorbei. Den versuchte er zusammen mit Kitar zu besteigen. Im Alpinstil als Zweierseilschaft, wie so etwas Jahrzehnte später genannt werden wird. Sie schafften es auch bis auf 7200 Meter, mussten aber völlig erschöpft und weil sie sich am falschen Grat befanden, wieder umkehren. Ein neuerlicher Versuch war unmöglich, da die Gefahr, entdeckt zu werden, zu groß war. Fast enttarnt wurde er dann beim Fotografieren frommer Pilger, die ein eindrucksvolles Bild vor der gewaltigen Kulisse des Kailash abgaben. Dem Statthalter von Westtibet vorgeführt, wanden sich Tichy und seine Freunde mit viel Witz und Charme aus der gefährlichen Situation, indem sie statt des Fotoapparats ein Fernglas vorführten. Verzückt schaute der Herrscher damit auf den Gipfel des heiligen Berges und fragte, ob man damit die Götter sehen könnte: "Vielleicht ja, wenn man sehr fromm und sehr geduldig ist."
Schon in diesem ersten Reisebericht kommt Tichys spätere lebenslange Liebe zu den asiatischen Ländern und besonders zum Himalaja immer wieder heraus, genauso wie sein Sarkasmus und seine feine Selbstironie. So beschreibt er trocken, dass er an manchen Tagen in Afghanistan bis zu 50 Schalen Tee trinken musste, weil er dauernd irgendwohin eingeladen wurde, oder dass er bei einem Dorffest der Kopfgeldjäger in den Bergen zwischen Burma und Indien völlig betrunken vom einheimischen Reiswein alles nur noch schemenhaft wahrnahm - aber diesen abzulehnen wäre eine tödliche Beleidigung gewesen.
Wie schon bei "Cho Oyu - Gnade der Götter" wurde das Buch zusätzlich zu den Originalfotos der Erstausgabe mit Illustrationen des Wiener Akademieprofessors Herwig Zens versehen. Ihr großzügiger, geschwungener Strich lässt beim Leser manchmal eine ähnlich abenteuerliche, eigenartige Stimmung entstehen, wie Tichy sie damals im Himalaja vorgefunden haben muss. Im Buch schreibt er zum Beispiel über seine Eindrücke: "Ich habe mit Kapur während der Zeit, die wir in Tibet verbrachten, kaum zehn Worte täglich gewechselt. Wir beide waren erschüttert von dieser Landschaft oder, richtiger gesagt, erschüttert von dem, was diese Landschaft in uns auslöste."

Die abenteuerliche Pilgerreise in Verkleidung zum verbotenen Kailash ist für den Leser auch heute noch eine spannende Geschichte und Höhepunkt des Bandes. Das Buch und dieser 70 Jahre alte Bericht entführt außerdem - abseits aller manchmal durchaus Karl-May-haft anmutenden Anekdoten und Episoden - in eine politisch völlig anders geordnete Welt. Indien reichte bis zum Khaiberpass und war englisches Vizekönigreich, Pakistan gab es noch nicht, und die ungeteilte Kaschmir-Region war eine Art autonomes Gebiet. Afghanistan war kriegerisch und unabhängig, und das damals unzugängliche Tibet wird erst heute von den Chinesen für den Tourismus geöffnet. Angesichts der aktuellen weltpolitischen Situation fasziniert das Buch durch diese Einblicke besonders.


Kommentar:
Bibel der Reiseliteratur

Tichys Reiseerzählung würde, erschiene sie erst heute, einen Bestseller erster Güte landen. Nicht nur, weil Tichy fesselnd und authentisch wie kein anderer zu erzählen weiß, weil er jenes Nomadentum vorlebt, das heute unmöglich geworden ist, von dem aber viele von uns träumen, sondern auch weil sein Buch absoluten weltkulturellen Vorzeigecharakter hat: Wie er auf die Menschen aller Couleur zugeht, wie er an deren Leben teilnimmt, ohne zu fordern oder über Gebühr zu nehmen, wie er das Völker-, Kultur- und Religionsverbindende praktiziert als wäre es das einfachste der Welt, mit welcher Toleranz er Andersdenkenden gegenübertritt - all das reiht Tichy in die Reihe der großen Humanisten und Weltbürger.
Tichys "Zum heiligsten Berg der Welt" ist eine der zeitlosen Bibeln der Reise- und Abenteuerliteratur, das in jeder Bibliothek stehen sollte.


Zum Autor:

Geboren 1912 in Wien in gutbürgerlichen Verhältnissen studiert Herbert Tichy Geologie und schreibt seine Dissertation über den Himalaya. Damit findet er eine prächtige Gelegenheit längere Zeit in dieser ihn so faszinierenden Weltgegend zu verbringen, Von seiner ersten großen Reise mit Max Reisch nach Indien mit dem Motorrad 1933 bis zu seinem letzten längeren Aufenthalt in Nepal bei dem österreichischen Architekten Götz Hagmüller in Bakhtapur 1982 bereist er nicht nur Asien sondern auch Afrika und Alaska, freundet sich überall mit Einheimischen aber auch mit anderen Reisenden, fern der Heimat verstreuten Menschen an, wie Pierre Teilhard de Chardin oder Charles Lindbergh. Herbert Tichy stirbt 1987 kurz nach seinem 75. Geburtstag in Wien und ist am Waldfriedhof in Kaltenleutgeben begraben. Er wäre heuer 95 Jahre alt geworden. Sein Todestag jährt sich heuer zum 20. Mal.


Bezug: