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Huber: Drei Zinnen

Alexander Huber, Willi Schwenkmeier

Drei Zinnen

(2004, Rother, ISBN 3-7633-7513-9, 160 Seiten mit 146 Bildern und zwei Anstiegsskizzen)


Klappentext:

Seit mehr als einhundert Jahren wird an den Wänden und Kanten der Drei Zinnen Klettergeschichte geschrieben. Spätestens mit der Erstersteigung der Nordwand der Kleinen Zinne 1890 durch den legendären Sepp Innerkofler ist das Klettern um des Kletterns willen auch an den Drei Zinnen wesentlich geworden - so wesentlich, dass seither diese markanten Dolomitenberge immer wieder Schauplatz von nicht für möglich gehaltenen Leistungssteigerungen waren.

Doch die Drei Zinnen sind mehr als lediglich ein weltberühmtes Klettermassiv, mehr als ein bloßes Klettergerüst. Sie sind auch ein Mythos.

Keine anderen Berge in den Dolomiten sind ähnlich viel besucht, viel bestaunt oder bewundert. Die Drei Zinnen gelten als steinerne Denkmäler mutiger Kletterer und einer ständig in neue Dimensionen getriebenen Kletterkunst. Sie sind Monumente aus Stein, Synonyme auch dafür, dass die "Eroberung des Nutzlosen", wie der große Lionel Terray das Bergsteigen und Klettern genannt hat, sehr wohl ihren Sinn haben kann. Eine schwierige Zinnen-Route zu meistern und sich in ihr zu bewähren zieht nach wie vor Kletterer aus aller Welt geradezu magisch an. Das kann nur ein Mythos.

Die besten Kletterer ihrer Zeit haben an den Drei Zinnen Spuren hinterlassen und ihr herausragendes Kletterkönnen demonstriert: Rudolf Fehrmann, Paul Preuß und Hans Dülfer vor dem Ersten Weltkrieg; in den dreißiger Jahren Emilio Comici und die Brüder Dimai, Riccardo Cassin, aber auch die Münchner Hintermeier und Meindl. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen die Sachsen um Dietrich Hasse und Lothar Brandler und jede Menge anderer Spitzenkletterer, um höchst eindrucksvolle Linien an den Zinnen-Wänden zu realisieren.
Mittlerweile wird an den Drei Zinnen auch das Schwierigste frei - also ohne technische Hilfsmittel zur Fortbewegung - geklettert, die Brüder Coubal, Christoph Hainz, Bubu Bole oder Alexander Huber haben mit herausragenden Unternehmungen gezeigt, dass das extremste Klettern an den Zinnen nichts an Faszination verloren hat. Als unfassbares Bravourstück gelang Alexander Huber im Jahr 2002 sogar eine Free-solo-Begehung der einstmals berüchtigten Direttissima an der Großen Zinne: Er durchkletterte die Hasse/Brandler (VIII+ ) allein, ohne technische Hilfsmittel und ganz ohne Sicherung.

Es ist anzunehmen, dass das derzeitige Nonplusultra hinsichtlich der Schwierigkeit, Bellavista von Alexander Huber (Rotpunkt XI-), für viele Spitzenkletterer auch eine Herausforderung ist, irgendwann noch Schwierigeres an den Drei Zinnen zu versuchen. Der Mythos lebt, die Geschichte des Kletterns an den Drei Zinnen wird weitergehen - auch in heute noch nicht vorstellbare Dimensionen?


Kommentar:

Eintauchen in eine andere Wirklichkeit

Die Drei Zinnen - "Das ist die kühl-modrige Luft, die aus jedem Riss und jedem Felsloch zu kriechen scheint. Das ist dieses flache, sonnenlose Licht, das die Tiefe des Raums noch tiefer macht und das Kar noch weiter entfernt. Das sind diese horizontalen Felsleisten ... Das sind die scharfkantigen Fingerlöcher im kristallinen Dolomit, die einmalige Bewegungsabfolgen erlauben. Das ist das Gefühl, scheinbar schwerelos zu sein und über schwierige Stellen hinaufzutanzen. Kurze Sekunden des Eintauchens in eine andere Wirklichkeit." (Andreas Kubin)

"Drei Zinnen" wagt den Versuch, Geschichte, Bilder und Erlebnisschilderung auf einen Nenner zu bringen. Und der Versuch gelingt brillant: Alpine Klettergeschichte wird hier in authentische Berichte verpackt, die spannender nicht sein können - Andreas Kubin, Kurt Albert, Mauro Bole und Alexander Huber selbst schildern ihre Zinnen-Abenteuer wie live aus der Wand, ziehen den Leser in den Bann schier unfassbarer Grenzgänge. Ein Griff daneben, ein lockerer Stein - und die Schwelle zwischen Leben und Tod ist unumkehrbar überschritten. Dazu fast dreidimensional wirkende Bilder aus allen möglichen - und unmöglichen - Perspektiven. Wem bei deren Ansicht nicht schwindlig wird, muss selbst Extremkletterer sein. Der Leser selbst wird hier tatsächlich in eine andere Wirklichkeit entführt.

An den Drei Zinnen hat man sich an die Grenze des Menschenmöglichen herangetastet - speziell auf den letzten Seiten des Buches, wenn man Alexander Huber selbst frei über hunderten Metern Abgrund schweben sieht, fragt man sich: Wo liegen die Grenzen? Wie weit geht es noch, bis ein Freikletterer als verrückt, als selbstmörderisch gilt? Wie lange ist noch ein Funken Risiko kalkulierbar? Und vor allem: Was treibt einen Menschen dazu, sich in einen Seiltanz mit dem Tod einzulassen? Fragen, die sich auch der Nicht-Kletterer stellen wird - und genau deswegen ist dieses atemberaubende Buch jedem zu empfehlen - denn aus jeder Seite, aus jedem Bild lässt sich Emilio Comicis Kletterphilosophie herauslesen, die zugleich auch für jedermann & jederfrau Lebensphilosophie sein kann: "Wir leben einzig von Sinneseindrücken ... Jeder hat seine eigenen, sonst wäre das Leben nutzlos und leer. Aber um dieses Leben vollkommen auszuschöpfen, muss man etwas wagen." Und die Drei Zinnen waren immer Wagnis und Hoffnung zugleich.


Zu den Autoren:

Alexander Huber: 1968 in Trostberg geboren, ist einer der erfolgreichsten Bergsteiger und Kletterer unserer Zeit Zu den wichtigsten Meilensteinen seiner Karriere zählen extreme Klettertouren in großen Höhen, so die Durchsteigung der Westwand des Siebentausenders Latok II im Karakorum, wie auch zahlreiche herausragende Freiklettererfolge am El Capitan im kalifornischen Yosemite. Zwei seiner größten Unternehmungen gelangen ihm an den Drei Zinnen: Mit der Rotpunkt-Begehung von Bellavista an der Westlichen Zinne setzte er einen neuen Maßstab im alpinen Felsklettern. Als (vorläufigen) Höhepunkt in seinem Bergsteigerleben sieht er seine Free-solo-Begehung der Direttissima in der Nordwand der Großen Zinne. Alexander Huber ist Profibergsteiger und lebt in Traunstein im Chiemgau. Zusammen mit dem Fotografen Helnz Zak ist er Autor von "Yosemite" (Bergverlag Rother, 2002)

Willi Schwenkmeier: 1951 geboren, ist hauptberufiich Realschullehrer in Traunstein. Jahrelang gehörte er dem Redaktionsausschuss der "DAV-Mitteilungen" an. Zahlreiche Veröffentlichungen in alpinen Zeitschriften, auch Beiträge für das DAV-Jahrbuch und andere Bücher. Er ist verheiratet, hat zwei Töchter und lebt in Siegsdorf (Chiemgau). Zusammen mit dem Fotografen Peter Mathis ist er Autor von "Steile Welt - Impressionen aus den Alpen" (Bergverlag Rother, 2000)