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Das wilde Herz ItaliensGran Sasso

Durch die Abruzzen durch das Campo Imperatore bis Capestrano

7-Tages-Tour, August 2008

Text/Bilder: Thomas Rambauske

Königsetappe
Durch ein unvergleichliches Blumenmeer geht es querbeet und -feldein auf den Sella del Grilli ...

Tag 3

PaladiniOrtolano – Lago di Provvidenza (1062 m) – Rif. FiorettiSella Venacquaro (2243 m) – Sella del Grilli (2229 m) – Passo della PortellaAlbergo Campo Imperatore (2135 m)

oder in 2 Tagesetappen:

Paladini – Nerito – Alb. Rif. Prato Selva – Intermesoli – Pietracamela, 6,5 Stunden, 900 Hm; Pietracamela – Hotel Prati di Tivo – Capanne – Rif. Garibaldi – Albergo Campo Imperatore; 6 St., 1400 Hm

HU Pfeil up ca. 1.800 m pfeil down ca. 700 m
GZ 10 Stunden

Warten auf den Bus
Warten auf den Bus – aber er kummt nit.

Lichtung
Nach einer Stunde betritt man die baumfreie Zone.

 

Markierung
Eine Markierung, eine Markierung!

Blume

 

 

Blume

 

 

 

 

 

 

Sattel

 

 

 

 

 

Campo
Nach 10 Stunden Gehzeit rückt endlich das Campo Imperatore ins Bild ...

Die große Frage: Entweder in zwei Tagesetappen über Pietracamela oder in einem "Aufwaschen" durch das Chiorino- und Vomano-Tal über das Rif. Fioretti und den Sella del Grilli zum Campo Imperatore. Die kürzen beiden Etappen verlaufen vorwiegend durch Wald – nicht unsere Sache –, auf der längeren Tour gelangt man schneller über die Baumgrenze und lernt die Abruzzen so kennen, wie sie am schönsten sind: weit, karg und einsam. Außerdem wird man auf sehr beeindruckende Weise des höchsten des italienischen Stiefels, des Corno Grande, ansichtig. Zwar ist die XXL-Tour landschaftlich einzigartig, mit 10 Stunden, 1.800 Höhenmetern gehört sie jedoch auch zu den absoluten Königsetappen dieser Region und ist nur konditionsstarken, orientierungsfähigen und ausdauernden Bergsteigern zu empfehlen. Weil wir uns als solche bezeichnen und ein wenig an unsere Grenzen gehen wollen, wagen wir es – und erleben einen der schönsten und beeindruckendsen Tage im Nationalpark Gran Sasso.

Aber der Reihe nach: Der Tag beginnt mit Pech. Da der vom Wirt des Ponte del Paladini vorhergesagte Bus nach Ortolano nicht auftaucht (es ist ratsam, sich diesen 1-Stunden Hatscher zu ersparen und sich bis zum Lago di Provvidenza chauffieren zu lassen), müssen wir Auto stoppen und sind überrascht, dass gleich der erste Klein-LKW stehen bleibt und uns mitnimmt. Der Holzfäller versteht zwar kein Wort Englisch, wir ebenso nichts von seinem Holzfäller-Italienisch, dennoch landen wir zielsicher in Ortolano, von wo an sich ein Wanderweg zum Lago weiterführen sollte. Betonung auf "sollte", denn trotz einstündiger Suche finden wir ihn nicht, landen immer wieder in undurchdringlichen Dickicht-Sackgassen, sodass uns nichts anderes übrigbleibt, als auf der Straße bis zum Stausee zu latschen (Auto kommt hier selten vorbei). Mit grenzwertiger Verspätung können wir die Monsteretappe gerade noch angehen – und wissend, dass wir uns absolut keine Vergeher und keine langen Ruhezeiten erlauben können, um im nicht in Dunkelheit zu geraten. Gerade jedoch für diese Tour haben wir uns mit Biwaksack und Schlafsack auf alle Eventualitäten bestens vorbereitet.

Um 9 Uhr endlich starten wir, überqueren den See auf seiner Staumauer, trotz dem einerseits ein "Betreten verboten"-Schild ihr Betreten verbietet, andererseits eine Markierung dazu einlädt. Einerlei, unser grantiges Wurschtigkeitsgefühl bringt uns auf die andere Seite des Sees und auf eine Forststraße, die wir lange nicht verlassen werden. Auch wenn in gewissen Büchern und diverse Markierungen auf einen Wanderweg abseits der Straße weglenken wollen, bleiben wir auf dem breiten Schotterweg – und bekommen recht. Bequem und leicht ansteigend führt er durch das stille Chiarino-Tal und Buchenwald bis zum Anwesen Masseria Vaccareccia, das gerade auf Vordermann gebracht wird. Auch hier verlassen wir die Forststraße nicht (hin und wieder finden sich sogar Papierschilder, die zum Rif. Fioretti weisen) und gelangen aus dem Wald heraus auf eine breite Alm mit Brunnen, Marterln und famosem Ausblick auf die sich nun emporhebenden Gran Sasso-Riesen. Auf der Forststraße weiter bis zum unbewirtschafteten Rif. Fioretti. Der Schotterweg windet sich nun auf einer Kuhweide in südöstlicher Richtung langsam hoch bis zu einer mit Schäferhütten bebauten Hochebene. Dort nach langer Zeit wieder eine Markierung (!) zur Bestätigung, dass wir richtig unterwegs sind. Dann ist unser Gefühl, unsere Intuition gefragt. Ohne irgendeine Markierung – wer weiß, wo die aufgemalt ist!? – um einen Felssporn herum und langsam über einen Grashang hoch. Wichtig sind hier folgende Regeln: Der Kompass muss in südöstliche Richtung zeigen und der am breitesten scheinende Sattel angepeilt werden – dann passt's. Reichhaltigste Nahrung jedenfalls für die Augen: Wenden wir uns um, liegt weit unter uns der Lago von Campotosto, über uns der breite, sanft geschwungende Sattel Sella Venacquaro. Und zu unseren Füßen ein Blumenmeer, wie man es nur hier in den Abruzzen vorfindet: Königskerzen und Bergthymian und wer weiß, was sonst noch alles.

Blumenwiese

2300 Blumenarten sollen nur hier im Nationalpark vorkommen, wer kennt sie schon alle! Selbst jetzt noch im Hochsommer sucht der Farb- und Blütenteppich seinesgleichen in Europa. Ich begnüge mich mit ein paar Bildern, die dazugehörige Bezeichnung der Blümlein erspare ich mir, da zu wenig Fachkenntnis. Auf jeden Fall rentiert schon dieser erste Wiesenhang die Mühe des langen Anmarsches. So abgelenkt merkt man nicht, dass man eben die ersten 1000 Höhenmeter zurücklegt. Großes Staunen und Begeisterung, wenn man die letzten Meter zum Sattel Venacquaro (2236 m) zurücklegt: Imposant, majestätisch, mächtig baut sich der Höchste des Nationalparks und des italienischen Stiefels, der Corno Grande vor uns auf. Atemberaubend seine Wildheit, seine Steilheit und seine Erhabenheit. Genau das ist der Blick, dessentwegen man gerne 1800 Höhenmeter auf sich nimmt.

Corno Grande
Pause angesichts des Corno Grande

Sieht man genauer, lässt sich sogar der einfache Wanderweg zu seinem Gipfel erkennen. Etwas abseits das Rif. Garibaldi, uns gegenüber das nächste Höhenziel: der Sella die Grilli. Zweite Überraschung dieses ersten Abschnitts, wir treffen punktgenau auf die Markierung. Bevor wir ihr hinunter folgen: Pause. Schauen, staunen, innehalten. Nun aber einen markierten Steig bergab bis zum Brunnen Fonte del Venacquaro, wo wir auch die ersten – und letzten – Wanderer unserer Tour durch die Abruzzen treffen, eine italienische Truppe, die vom Rif. Garibaldi gen Ortolano strebt. Wir möchten gerne Mitleid mit ihnen haben, wenn wir nicht selber noch eine ordentliches Stück Geharbeit vor uns hätten. Beim Brunnen jedenfalls aufgetankt, eine Badewanne hätte sogar ein Bad erlaubt. Keine Zeit leider, wir müssen weiter. Weiter hinunter bis zum Talgrund auf ca. 1900 m, um von dort wieder hoch zu steigen zum Sella die Grilli (2329 m). Weniger Blümlein diesmal, umso mehr Geröll und Schweiß. Der steile Hang ist der einzige, der uns wirklich keine Freude bereitet. Wer ihn jedoch bewältigt hat, kann sagen: Fast geschafft. Auch hier wieder ein imposanter Blick auf auf die Hauptgipfel des Gran Sasso-Massivs: Pizzo d'Intermesoli, Pizzo Cefalone, Monte Aquila, Corno Picolo und natürlich den Corno Grande. Oben am Sattel jedenfalls taucht wie von Zauberhand wieder eine Markierung auf, die fortan nicht mehr verblasst oder sich irgendwo versteckt. Ihr folgen wir über einen breiten Grasgrad, bis er nach links steil abfällt – wir nach und hinab in das Gletschertal Campo Pericoli, wo ein weiterer Geröllhang gequert wird, bis es zum endgültig letzten Mal bergauf geht – und das ordentlich. Schritt für Schritt über steile Serpentinen zählt man die letzten der 1800 Höhenmeter ab, ehe man am Portella-Pass sicher ist, endgültig die letzten Höhenmeter zurückgelegt zu haben. Wie sagte doch meine Wegbegleiterin dort oben: "Aus der Dusche geh' i a Joahr nimma raus ..." Deswegen war ich dort der erste ;-) Nun links, den klar vorgegebenen Weg eben dahin gen Osten, an einer Weggabelung rechts haltend (nicht mehr bergauf!) und weiter auslaufend eben nach 30 Minuten zum Campo Imperatore mit seinen Liftanlagen, seiner Straße, Sternwarte, seinem Parkplatz, Wirbel und einem ****-Hotel. Rucksack ab, Bier, Luft holen, die Sonne strahlt uns zum Abschied an. Jedenfalls beeindruckt uns das öde Gemisch aus moderner Technik und Schafzucht, majestätischen Bergen und neuen, unschönen Bauten, keinesfalls. Am wenigsten leider das Hotel. Die vier Sterne sind drei zuviel: kleine Kabinen, schwaches Essen, miserables Service, überzogene Preise. Allein die Geschichte des Hotels verdient 1,5 Sterne (siehe unten).



Schwierigkeiten:
Die Hauptschwierigkeit – wie auf allen Etappen – liegt in der mangelhaften Markierung und Beschilderung der Wege. Notwendig sind ein ausgezeichnetes Orientierungsvermögen, aber auch der sichere Umgang mit GPS, Kompass und Karte. Bei dieser Etappe kommt die gehörige Länge und eine Höhendifferenz von 1.800 m hinzu – sicher nicht jedermanns und -frau Sache, sondern nur konditionsstarken Bergwanderern vorbehalten.
Gesamthöhenmeter:
Pfeil up ca. 1800 m pfeil down ca. 700 m
Gesamtgehzeit:
10 Stunden
Beste Jahreszeit:
Die beste Jahreszeit für die Abruzzen ist sicher der kühle, von der blühenden Flora gefärbte Spätfrühling; wer wie wir im Hochsommer unterwegs ist, muss mit Hitze rechnen, die wir aber nicht als quälend empfunden haben.
Ausrüstung:
Einkehrmöglichkeiten:
Hotel Albergo Campo Imperatore, Rif. Campo Imperatore
Karte: