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Zu Besuch bei Familie Watzmann

Wazmann

Text: Martin Grabner, Bilder: Martin Grabner und Thomas Rambauske

Intro

Er ist der zweithöchste Berg Deutschlands und der höchste, der komplett auf deutschem Boden steht. Seine Ostwand ist mit 1800 Metern die mächtigste Wand der Ostalpen, seine Überschreitung nichts für schwache Nerven. Familie Watzmann lädt ein.

"Groß und mächtig – schicksalsträchtig – um seinen Gipfel jagen – Nebelschwaden ...". Die ersten Takte des berühmten Liedes aus dem Alpen-Musical von Ambros, Tauchen und Prokopetz klingen aus den Lautsprecherboxen des Autoradios bei der Fahrt von Salzburg nach Berchtesgaden. Zehn Minuten später taucht er auf: der zweithöchste und einer der sagenumwobendsten Berge Deutschlands. Rechts die Spitzen des Großen Watzmann, links die des kleinen, der "Watzmannfrau". Stolz und ehrerbietend erheben sie sich in den fast wolkenlosen Himmel. "Watzmann, Watzmann – Schicksalsberg – du bist so groß – und ich nur ein Zwerg." Dazwischen das Kar mit den Watzmann-Kindern, nach der Sage sollen es sieben sein, nur die einheimischen Kenner sehen aber mehr als fünf Felszacken vorwitzig zwischen den Eltern hervorlugen.

Ankommen

Beim Aussteigen klingt noch der Refrain des Liedes im Ohr, während die Rucksäcke geschultert werden und es auf dem breiten Forstweg Richtung Kührointalm hinaufgeht, zur gleichnamigen Hütte, der Basisstation, um der Familie Watzmann einen mehrtägigen Besuch abzustatten.
Im Gepäck dabei natürlich ein paar nützliche Mitbringsel, um den Berg wohlgesonnen zu stimmen: als das wären der immer wache Blick für die besonderen Schönheiten dieser gebirgigen Landschaft, die Aufmerksamkeit für die alten Heldengeschichten und schließlich ausreichend Kondition und Technik, um die einzelnen Familienmitglieder auch persönlich besuchen zu können.
KührointhütteDas Auto bleibt entweder bei der Wimbachbrücke in Ramsau oder am Parkplatz Schönau-Hammerstiel zurück. Kurz vor der Schapbachalm treffen sich die beiden Wege, durch den Wald quert man auf Abkürzungspfaden immer wieder die Forststraße und nach einer Wegzeit von zwei Stunden ist die Kührointhütte (1420 m) am Fuße des kleinen Watzmann erreicht.
Der Empfang ist herzlich. Wirt Ralf Voss begrüßt jeden Einzelnen von uns, dann wird mit Weißbier auf einen erfolgreichen und eindrucksvollen Aufenthalt angestoßen. Die Familie Voss bewirtschaftet die Hütte seit vielen Jahren, Ralf hat sie in letzten Zeit stark ausgebaut und seit kurzem gibt es feine Zimmer im ersten Stock, eine moderne Schank und ein Schmuckstück von einer Küche.

Die Erkundung

Es ist früh am Nachmittag, also noch Zeit für eine kurze Erkundungswanderung auf den nahen Aussichtsgipfel Mooslahner. Eine Stunde geht man von der Kührointalm auf einem deutlichen, aber unmarkierten Pfad zuerst über den Almboden, dann allerdings steil bergauf zum kleinen Gipfelkreuz des Mooslahnerkopfes (1815 m). Tief unter unter uns der Königssee und St. Bartholomä, rechts die scharfkantige Spitze des kleinen Watzmanns. Noch Blick vom Mooslahnerweiter rechts auf dem Falzköpfl thront wie eine Trutzburg das Watzmannhaus, der Hauptausgangspunkt für die Besteigung des Hochecks, der Mittelspitze oder der Überschreitung bis zur Südspitze. Gegenüber blickt man auf das steinerne Meer mit der auffallenden Schönfeldspitze. Langsam verschwindet die Sonne am Horizont, eine friedliche und stille Abendstimmung senkt sich über das gesamte Massiv.
Das erste Ziel des nächsten Tages: die nahe Archenkanzel (ca. 15 Minuten), von wo sich ein ähnlicher Blick auf den Königssee wie vom Mooslahner ergibt, der Anmarsch ist allerdings weniger schweißtreibend. Weiter geht es nun auf dem Rinnkendlsteig hinunter nach St. Bartholomä. Der Weg ist manchmal ein wenig ausgesetzt, aber mit Stahlseilsicherungen und Holztreppen versehen. Immer wieder blitzt das blaugrüne Wasser des Königssees herauf, das nach zwei Stunden erreicht ist. Friedlich schlagen kleine Wellen ans Ufer, draußen kreuzen Elektro-Ausflugsboote, Baden ist in diesem Trinkwasserreservoir übrigens verboten.
KönigsseeDie Halbinsel St. Bartholomä mit dem uralten, riesigen Gasthaus und der 1134 geweihten "Basilica vom Königsee" ist nur zu Fuß oder mit Booten zu erreichen. Von Bartholomä führt ein Weg gut eine Stunde, das Eisbachtal zwei Mal querend, zurück zur Eiskapelle, einem aus Lawinen gebildeten Schnee- und Eisgebilde am Fuße der berühmten Watzmann-Ostwand. Im Lauf des Sommers entsteht durch Schmelzwässer hier eine große Öffnung, vor der uns selbst im Hochsommer die eisige Luft frösteln macht. Da das Gewölbe jederzeit in sich zusammenstürzen kann, ist das Betreten und Besteigen lebensgefährlich.

Die Geschichte

Schon Alexander von Humboldt hat im Jahr 1797 die Eiskapelle besucht und war von deren bizarrem Aussehen fasziniert, genauso wie von der Ostwand. Mit 1800 Metern ist sie die höchste Wand der Ostalpen. 1881 durchstieg sie erstmals der Holzknecht, Bauer, Bergführer und spätere Hüttenwirt Johann Grill, auch nach seinem Hausnamen "der Kederbacher" genannt, mit dem Wiener Klettergast Otto Schück in 14 Stunden nach einem Biwak am Wandfuß. Grill war der erste autorisierte deutsche Bergführer, später der erste Pächter des Watzmannhauses und zu Lebezeiten bereits eine Legende. So war er ebenfalls der Erste, der 1868 den gesamten Grat vom Hocheck bis zur Südspitze überwand. Neben dem "Kederbacher-Weg" wurden später einige andere Routen durch die berüchtigte Ost- oder BuhlBartholomäwand erschlossen: der als sicherste Route geltende "Berchtesgadener Weg", der weniger begangene "Münchner Weg" oder der schwierige "Salzburger Weg", auf dem einem gewissen Hermann Buhl im Februar 1953 die erste Winter- und Nachtbesteigung gelang. Für ihn war dieses Unternehmen damals eine willkommene typische Trainingseinheit für den ein paar Monate später folgenden legendären Alleingang auf den Nanga Parbat.
Auf dem Rückweg nach St. Bartholomä erinnern wir uns noch an andere sogenannte "Heldensagen", wie an jene von Valentin Stania, dem Erstbesteiger der Mittelspitze um das Jahr 1800 herum. Vom Nordgipfel des Hochecks (2651 m) aus, damals einem Wallfahrtsort mit Holzkreuz, Marienbild und Opferstock, stieg und kletterte der slowenische Priester, beladen mit Messinginstrumenten, zum Teil auf allen vieren hinüber zum höchsten Gipfel des Watzmannmassivs. Die Begleiter beobachteten ihn vom Hocheck aus. "Mit Erstaunen, Freude und Angst Am Graterblickten mich die Zurückgelassenen auf diesen in die Wolken stechenden Spiz", schrieb er in seinen Notizen. "Erschöpft an Kräften und mit allenthalb ruinierten Kleidern" kehrte er zu der "frohlockenden Gesellschaft" wieder zurück. Völlig ungesichert kletterte er, in für die damalige Zeit beachtlicher Manier, über den Grat.
Es gibt noch viele Geschichten über die schneidigen Pioniere und manche tragische Helden, die sich am Watzmann versuchten, zu erzählen, mittlerweile sind die Wanderer aber nach St. Bartholomä zurückgekehrt, der Trubel des riesigen Biergartens und die vielen Touristen übertönen hier die alten Erzählungen. Nach einer kurzen Brotzeit geht es mit dem Schiff zum berühmten Königssee. Dort angelangt, wandert man zunächst entlang der Bob- und Rodel-Kunsteisbahn, später auf einem Forstweg steil bergauf in insgesamt zwei Stunden Kührointalm zurück.
Eine 1999 erbaute kleine Gedächtniskapelle neben der Kührointhütte erinnert an die bisher über 1180 Bergtoten in den Berchtesgadener Alpen.

Die Besteigung

Nun ist es endlich soweit. Nach der Begutachtung der "Sehenswürdigkeiten" der Familie Watzmann geht es endlich aufwärts zu einer Audienz beim König selbst. Früh am Morgen steigen die Wanderer über den Falzsteig am Kar entlang Richtung Watzmannhaus.
Herrliche Blicke zur Watzmannfrau und zu den Kindern stimmen für den Besuch ganz oben ein. Nach ungefähr eineinhalb Stunden ist das Schutzhaus auf den Falzköpfl erreicht.

Watzmannhaus

Weiter geht der Weg zunächst in Serpentinen, dann über leichte Felskletterstellen bis dem Gipfel des Hocheck entgegen. Öfters glaubt man den höchsten Punkt bereits zu sehen, was sich wieder nur als ein Vorgipfel entpuppt, hinter dem es unvermindert anstrengend weitergeht.
KlettererNach knapp zweieinhalb Stunden ist das Hocheck (2651 m) mit seinem kleinen Gipfelkreuz und der Unterstandshütte endlich erreicht. Der Himmel strahlt und auch die nahe Mittelspitze macht im Moment auch ein recht freundliches Gesicht.
Auf gesichertem Steig geht es den Grat entlang sehr ausgesetzt und luftig hinüber. Zur Watzmannscharte muss man ein wenig absteigen, um gleich darauf den letzten Gipfelaufschwung über ein Plattenband zu nehmen. Nach einer guten halben Stunde es dann so weit. Der höchste Punkt des Massivs ist mit der Mittelspitze (2713 m) erreicht. Rundherum die Berchtesgadener Alpen und der Nationalpark. Über 1500 Meter zieht sich der gesamte Watzmanngrat vom Hocheck bis zur Südspitze. Links verliert sich der Blick in den Abgründen der Ostwand. Schräg gegenüber wartet Frau Watzmann und dazwischen schlummern schneebedeckt, wie mit einer Daunendecke umhüllt, die Kinder. Für heute machen wir Schluss. Für den Weiterweg zur Südspitze ist's schon zu spät, außerdem ist er äußerst anstrengend: 1400 Höhenmeter wären im Abstieg bis zur Wimbachgrieshütte zu bewältigen. So aber marschieren wir zurück zum Hocheck, schließlich will man dem gnädigen Herrscher nicht lästig erscheinen. Der Abstieg zum Watzmannhaus gestaltet sich dann aber als nur wenig harmloserer "Kniescheibentanz".

Alle SpitzenMächtige Zapfen: Hocheck, Mittel- und Südspitze

Für den nächsten Tag planen wir einen Besuch bei der Watzmannfrau und den Kindern. Dorthin Richtung Falzsteig, dann links ins Kar und durch ein Latschenwäldchen hoch. Nach einer Geländekante stechen plötzlich die Felszacken der Kinder gen Himmel. Sorgsam behütet von Frau Watzmann stehen sie der Reihe nach da wie die Orgelpfeifen, die fünf Watzmannskinder. Das Erste und Vierte erfordern ordentliche Kletterkenntnisse, Nr. 2, 3 und 5 sind relativ unschwer zu besteigen. Besonders lohnend ist der Aufstieg auf das Dritte Kind, seine besondere Form erinnert auch an einen gigantischen Schiffsbug. Zweieinhalb Stunden braucht man von der Kührointhütte auf dem unmarkierten Weg und wird mit einem herrlichen Blick auf den Königssee und St. Bartholomä belohnt.

Abschied

Langsam wird es nun Zeit, dem Berg und seinen Schönhieten den Rücken zu kehren. Am Parkplatz Wimbachbrücke angekommen, bietet sich den Freunden noch eine Besichtigung der Wimbachklamm an. In einer knappen halben Stunde spaziert man auf hölzernen Treppen und Steigen durch die wildromantische, tosende Kulisse. Von ihrem Ende führt der ins Wimbachtal hinein, am gleichnamigen Schloss vorbei und entlang des gewaltigen Gries, einem mächtigen Strom aus Gesteinsschutt, bis zur Wimbachgrieshütte hinauf (1326 m).

Wimbachgries
"Im Gries"

Hier nächtigen die Wanderer, die den Watzmann umrunden, um am nächsten Tag über den Trischübel-Pass (1754 m) wieder hinunter, dann entlang der Sigeretplatte und an den Hachelköpfen vorbei bis nach St. Bartholomä zu marschieren. Mit dem Boot geht es dann zurück zum Königssee und mit dem Bus oder Taxi zurück zur Wimbachbrücke.

Dieser Besuch bei Familie Watzmann war äußerst erfolgreich, denken wir uns auf der Rückfahrt von Ramsau nach Berchtesgaden. Ein letzter Blick zurück. Mächtig steht der Gebirgsstock, umhüllt von ein paar Wolken, in der Abendsonne da, und aus dem Autoradio klingt die vertraute Musik des Kultmusicals: "Wie schallt das Echo von der Höh’ – Hollarödulliöh."

Der Watzmann

Der Gebirgsstock des Watzmann mit seinen formschönen Gipfeln, langen Graten und gewaltigen Wänden liegt im Zentrum der Berchtesgadener Alpen und im Herzen des gleichnamigen Nationalparks. Dieser wurde 1978 gegründet, umfasst eine Fläche von 210 Kilometern und befindet sich ausschließlich in staatlichem Eigentum. Die zentrale Informationsstelle befindet sich im Nationalparkhaus in Berchtesgaden.
Weitere Infos unter www.nationalpark-berchtesgaden.de

Ausgangspunkt:
Größere Kartenansicht
Anreise:
Von Salzburg nach Berchtesgaden und weiter nach Schönau, Königssee oder Ramsau. Parkmöglichkeiten finden sich entweder beim Parkplatz Schönau-Hammerstiel, Königssee oder Wimbachbrücke.
Aufstiege zur Kührointhütte:
Von Ramsau/Wimbachbrücke oder Schönau-Hammerstiel auf Forstwegen zur Schapbachalm (hier kommen die beiden Wege zusammen) und weiter auf Weg Nr. 442 bis zur Kührointalm (2 Std).
Von Königssee auf Weg Nr. 443 bis zur Hütte (2 Std.); von St. Bartholomä über den Rinnkendlsteig (Nr. 443) an der Archenkanzel vorbei bis zur Kührointalm. (Nur für Geübte, 2 ½ - 3 Std.)
Aufstiege zum Watzmannhaus:
Von Ramsau/Wimbachbrücke auf dem Weg Nr. 441 an der Stubenalm vorbei bis zur Falzalm, dann Aufstieg auf das Falzköpfl (3,5–4 Std.); von Königssee über die Kührointalm (Weg 443) auf dem Falzsteig (Weg 442) bis zum Watzmannhaus(3,6–4 Std.)

Touren:

 

 

 

 

 

 

Schild
Watzmann-Mittelspitze:
Kührointhütte – Watzmannhaus (über Falzsteig Weg Nr. 442, 1,5–2 Std.) – Hocheck (Weg Nr. 441, 2,5 Std.) – Mittelspitze (nur für schwindelfreie, trittsichere, geübte Bergsteiger ½ Std.). Gesamte Gehzeit hin und zurück bis Kühroint 8 Stunden.

Mooslahner:
Kührointhütte – Mooslahner (1 Std. auf unmarkiertem Weg, insgesamt 1,5 Std. hin und zurück)

Drittes Kind:
Kührointhütte – Drittes Kind (2,5 Std. zuerst auf Weg 442, dann unmarkiert ins Kar hinauf, insgesamt 4 Std. Gehzeit)

Der Klassiker:
Wimbachbrücke – Watzmannhaus (3,5–4 Std.) – Hocheck (2,5 Std.), hin und zurück insgesamt gut 10 Stunden

Überschreitung:
Wimbachbrücke – Watzmannhaus (3,5 Std., Nächtigung) – Hocheck (2,5 Std.) – Mittelspitze (ausgesetzer Klettergrat, versichert, 1/2 Std.) – Südspitze (ausgesetzter Klettergrat, nicht immer versichert, 1,5 bis 2 Std.) – Abstieg zur Wimbachgrieshütte (ca. 4 Std. Nächtigung) – durch das Wimbachtal zurück zur Wimbachbrücke (ca. 2,5 Std.)

Geschichtsträchtiger Rundweg:
Kührointhütte – Archenkanzel (15 Min.) – Rinnkendlsteig (Weg Nr. 443) – St. Bartholomä/Königsee (2 Std.) – Eiskapelle/Ostwand (Weg Nr. 446, 1 Std.) – St. Bartholomä (3/4 Std.) – Königssee (mit dem Elektroboot 1/2 Std.) – Kührointhütte (Weg Nr. 443, 2 Std.)
Ausrüstung:
Einkehrmöglichkeiten:
Watzmannhaus (1928 m) auf dem Falzköpfl nordnordostseitig unterhalb des Watzmann-Hochecks. Bewirtschaftet von Mitte Mai bis Mitte Oktober. 46 Zimmerlager, 164 Matratzenlager.
www.watzmannhaus.de

Kührointhütte (1420 m) auf der Kührointalm am Nordostausläufer des Kleinen Watzmanns.
Bewirtschaftet von Mitte Mai bis Mitte Oktober. Private Hütte, Pächter Ralf Voss, 10 Zimmerlager, 18 Matratzenlager; Tel.: 0049/171-353 33 69, Fax: 0049/8652-88268
Karte:
Freytag & Berndt WK D5, Berchtesgaden – Bad Reichenhall – Königssee 1:25.000; Kompass Nr. 794, Berchtesgadener Land 1:30.000

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