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Der persönliche Everest

Kieneck

Forumstour, Gutensteiner Alpen
18. Oktober 2003

Kieneck

Text/Bilder: Kiowa

Mit Hocheck, Reisalpe und Unterberg gehört das Kieneck zu den markantesten Erhebungen der Gutensteiner Alpen. Die Kammwanderung über das dicht bewaldete Kieneckmassiv bringt in erster Linie dem naturliebenden und Stille suchenden Wanderer genussreiche Stunden, denn in punkto Rundsicht gebührt die Krone fraglos dem etwas höheren Unterberg.


Heute morgen kommt in diesen Herbst zum ersten Mal der Eisschaber zum Einsatz, um den Reif von den Scheiben des Autos zu entfernen. Der gefrorene Niederschlag bedeutet ein gutes Omen für den bevorstehenden Wandertag. Er verspricht blauen Himmel und Sonnenschein, meist bleibt es aber kühl. Am Treffpunkt beim Laaberg-Bad erscheinen alle pünktlich zur vereinbarten Zeit. Unsere Gruppe bildet ein Quartett, davon sind drei Mitglieder in diesen Forum. Nach kurzer Lagebesprechung fahren wir los, Karin fährt mit Simon und bei mir nimmt Carina am Beifahrersitz Platz. Mein Auto würde diese Strecke schon von alleine finden, so vertraut ist mir diese Route.

Anfahrt

Es bieten sich zwei Varianten für den Aufstieg zum Kieneck, einen längeren von der Gemeinde Furth im Triestingtal oder den kürzeren von Thal im Piestingtal. Die Wahl fällt auf den zweitgenannten Ort. Wir verlassen die B21 in Piesting in Richtung Muggendorf und Thal - und Carina freut sich über den Anblick der Kühe mit ihren Kälbern auf den Weiden. Als Städter kennt sie diese Tiere nur mehr aus den Medien.

Aufstieg

Um 08.45 Uhr parken wir unsere Autos beim Gasthaus Leitner im kleinen Ort Thal und besprechen anhand der Wanderkarten, welchen Aufstieg wir nehmen. Unsere Entscheidung fällt auf den Viehgraben, den angeblich leichtesten Weg auf das Kieneck. Der Enzian- und der Mareschsteig fallen somit aus der Wertung.

Endlich kann es losgehen. Gut gelaunt setzen wir uns beim Feuerwehrhaus in Thal (595m), wo die rote Markierung beginnt, in Bewegung und folgen dem Lauf des Atzbaches auf einer Asphaltstraße. Mehrmals queren wir den Atzbach, dessen kristallklares Wasser gurgelnd seinen Weg ins Tal nimmt. An der nächsten Weggabelung steht man nochmals vor der Wahl zwischen dem Viehgraben oder dem Weidengraben, der zum Mareschsteig führt. Auf den ersten Kilometern gewinnt man kaum an Höhe, eine Forststraße zieht sich wie eine Promenade durch den Wald. Sanft schlängelt sich der Weg durch den Graben, wir sind in bester Stimmung und voller Tatendrang. Heute habe ich das Gefühl, ich könnte sogar den Everest schaffen - und einhändig einen Pullover stricken. So scherzen und lachen wir - ein Team, das sich ausgezeichnet versteht.

Nach etwa einer halben Stunde ist der erste „Boxenstopp“ angesagt. Danach ziehen wir weiter durch den Viehgraben, bis der erste Anstieg beginnt. In gemütlichem Tempo marschieren wir gipfelwärts. Für einige Minuten hört man nur das metallische Klappern der Wanderstöcke im Geröll. Meter für Meter gewinnen wir an Höhe, bis ich auf Carina aufmerksam werde. Sie pfaucht wie eine alte Dampflok, die Steigung scheint sie zu schaffen, ihre Miene verrät mir den Zustand ihrer Verfassung - die nächste Rast ist fällig! Schließlich geht es fast nur mehr bergauf, mal weniger steil, mal mehr. Für kleine Pausen haben wir immer Zeit, nichts kann unseren Frohsinn trüben.
Die Route 231 erweist sich als doch angenehmer Aufstieg, bis wir den Matrassteig erreichen. Karin und Carina haben keine Lust diesen Weg zu gehen, Simon und ich wären dazu bereit. Zur Freude der beiden Girls bleiben wir also auf den vorgegebenen Weg. Mit unverminderter Wanderlust trabt ein Quartett den Hang hinauf, in Gedanken schon in der Enzianhütte. Ein kleiner Abschnitt trennt uns noch vom Ziel, wir befinden uns bereits am Kirchwaldsattel auf 983m. Trotz Sonnenschein und bestem Wetter müssen wir in wärmere Kleidung schlüpfen, weht hier doch ein kaltes Lüftchen, der aber unsere Laune nicht wegzublasen vermag.

Am Gipfel des KienecksFür die letzte Etappe müssen wir rechts weiter, der Wanderweg Nummer 622. Eine Gruppe, aus Richtung Unterberg kommend, quert eiligen Schrittes unseren Weg und verschwindet bald über der Bergkuppe. In gleichmäßigem Tempo schreiten auch wir unserem Ziel entgegen, dem Gipfelkreuz des Kienecks. Wir passieren das Kreuz, um bald die Hütte zu erreichen. Zur linken Seite des Weges teilt sich der Baumbestand in Föhren, rechts säumen Buchen den Pfad. Dann steht die Enzianhütte vor uns (1107m). Ein Bernhardiner liegt vor der Terrasse, die zum Gastraum führt und lässt uns ein ganz und gar nicht gastfreundliches Misstrauen spüren.

In der Gaststube verbreitet ein Ofen wohltuende Wärme, was uns Behaglichkeit vermittelt. Wir lassen uns nieder, um die urig-gemütliche Atmosphäre der Enzianhütte zu genießen. Die Suppen, Würsteln, Kaffee und Mehlspeisen schmecken vorzüglich, da denkt vorläufig niemand an den Abstieg. Nach und nach füllt sich der Gastraum mit Wandersleuten, bis schließlich kein Platz mehr frei ist. Die Katze des Hauses hat meine Jacke als Schlafplätzchen erkoren und schnurrt zufrieden vor sich hin. Ich spiele einige Zeit mit dem Stubentiger, der mich zu seinem Freund erwählt hat. Als wir uns für den Aufbruch fertig machen, ist die Katze nicht bereit ihren Platz aufzugeben. So wechselt sie zu Simon, um seine Jacke zu beschlagnahmen, doch leider widerfährt ihr das gleiche Schicksal wie vorhin. Dann müssen eben die nächsten Gäste herhalten und schon findet sie eine neue Bleibe. Eine Katze müsste man sein!

Abstieg

Um 12.50 Uhr treten wir den Rückweg an. Das Wetter bleibt unverändert schön, strahlend blauer Himmel und die Sonne wachen über unseren Wandertag. Mit flotten Schritten geht es nun den Berg hinab. Wir verweilen öfters, um das herrliche Bergpanorama zu bewundern. Wären wir in einen kitschigen Bergfilm, würden wir sogar ein Wanderlied trällern. Ich glaube aber, das würde das letzte Laub von den Bäumen holen. Auf einer sonnseitigen Bank genehmigen wir uns eine letzte Pause vor dem Weg ins Tal. Kleine witzige Geschichten aus dem Leben tragen zur Erheiterung der Gruppe bei. Nach 20 Minuten Rast marschieren wir weiter und erreichen jene Gabelung, wo der Atzbach nach Thal fließt. Wir gelangen nun auf die asphaltierte Straße, die ersten Häuser rücken in unser Blickfeld. Die Weideflächen mit grasenden Kühen liegen vor uns, während sich der Wald lichtet. Um 14.50 Uhr stehen wir wieder am Parkplatz beim Gasthaus Leitner.
Wir wollen unser Erlebnis jedoch nicht so abrupt beenden und kehren ins oben genannte Wirtshaus ein. Bei Kaffee und Mehlspeise lassen wir die Eindrücke des Wandertags nochmals vorüberziehen. Doch irgendwann endet auch der schönste Tag und wir verabschieden uns am Parkplatz voneinander.

Eines ist gewiss, wir werden uns wieder zu einer Wanderung treffen!


Schwierigkeiten:
Lange, aber leichte Wanderung
Route:

Aufstieg: Thal im Miratal (595m) - Enziansteig - Kieneck (1107m); 2-2 ½ Stunden, 750 Hm

Abstieg: Kieneck - Atzsattel - Thal; 2 ½ St.

Höhenmeter: 750 m
Gesamtgehzeit: 4 ½ - 5 Stunden
Beste Jahreszeit: Jederzeit
Kinder: Ab 12
Hund und Katz': Für ausdauernde Hunde geeignet
Ausrüstung: Pack-Checkliste >>>
Einkehrmöglichkeiten:

Ghf. Leitner (im November geschlossen, sonst immr offen)

Enzianhütte (vom 1. April bis 15. November geöffnet)

Karte: Freytag & berndt "Wiener Hausberge", 1:50.000