Umschlagtext:
Es
war eine Frau, die 1993 mit ihrer Leistung die Grundfeste der alpinen
Männerwelt erschütterte: Lynn Hill kletterte als erste frei
durch die Riesenwand The Nose des El Capitan im Yosemite Nationalpark.
El Cap war die ultimative Herausforderung. Von der nötigen Ausdauer,
Energie und Willenskraft her, konnte sie durchaus auf einer Stufe stehen
mit dem Marsch zum Südpol.
In
"Climbing Free" beschreibt die bekannteste Free-Climberin der
Welt eine einzigartige Unternehmung, ihre Kletterkarriere, die sie als
talentierte 14jährige begann, und wie sie immer wieder die Kraft
und den Mut für solche Extreme aufbringt.
Bei
aller Leidenschaft verbirgt Lynn Hill nicht, dass sie den Sport auch in
Frage stellt. Mehr als einmal sah sie selbst dem Tod ins Gesicht, und
einige ihrer engen Freunde haben für das Klettern mit dem Leben bezahlt.
Doch das Risiko, dem sie sich aussetzt, verblasst gegen die faszinierenden
Felswände und Landschaften und gegen die Schönheit des Moments,
wenn sie ganz oben steht.
"Der
Shield ist eine Bigwall-Erfahrung, die sich völlig von der Nose
unterscheidet. Die Nose ist steil, vor allem im oberen Drittel der Route
in den riesigen Verschneidungen, der Shield hängt dagegen so weit
über, daß ein Tropfen Wasser, der vom Ausstieg der Route
hinunterfällt, in 60 Metern Entfernung vom Fuß der Wand landen
würde. Der letzte Abschnitt der Route - die etwa 300 Meter lange
Headwall - ragt so weit in das Tal hinein, daß ich, als ich zum
ersten Mal Kletterer daran sah, unwillkürlich an zwei Fliegen denken
mußte, die auf der Unterseite eines riesigen Fesselballons krabbeln
/.../ Doch die Risse des Shield sind nicht viel breiter als ein Faden.
In sie mußten wir winzige Haken hämmern, immer einen nach
dem anderen, und das über lange Strecken. Man hing an den Haken
in leiterähnlichen Schlingen und bewegte sich zentimeterweise nach
oben. Für 30 Meter brauchte man manchmal Stunden. /.../ Die Durchsteigung
des Shield würde auch eine andere neue Erfahrung mit sich bringen:
Wir mußten in der Wand leben, /.../ nicht nur schlafen, auch essen,
klettern, sogar die natürlichen Bedürfnisse verrichten, fand
im Hängen statt. Wir versuchten uns am Bigwall-Klettern in seiner
härtesten Form."
(Lynn
Hill/Greg Child "CLIMBING FREE", S. 136f)
Kommentar:
Nichts
für Leser mit Höhenangst!
Gleich
vorweg: Dieses Buch sollte nur zur Hand nehmen, wer absolut schwindelfrei
ist. Schon die geringste Höhenangst und du stürzt ab. Die Naheinstellungen,
die Lynn Hill in ihrer Biografie liefert, sind tatsächlich schwindelerregend:
die Fingerkuppen als letztmögliche Sicherung gegen den Absturz, winzige
Haken, an denen der Kletterer baumelt, gestraffte Seile, an denen er zwischen
den senkrechten Türmen des Yosemite Valley pendelt ...
Klettern und Klettergeschichte in Perfektion.
Lynn
Hill ist es gelungen, jenes "Feeling" in Worte zu kleiden, dessentwegen
sie selbst so oft ihr Leben riskiert hat: das Gefühl, schwerelos
zwischen Sturz und Erfolg zu schweben, oder die "Sargzone" (=
alpin "Todeszone") zu überwinden, die schwierigsten Routen
der Welt wie "The Nose" oder "The Shield" am El Capitan
zu bewältigen oder das Gefühl, auf dem Sims einer senkrechten
Wand zu sitzen, unter sich schwarzes Nichts, über sich nur der Himmel
...
Lynn
Hill sprengt in "Climbing free" das vre der reinen Kletterstorys.
Sie belässt es nicht bei der Aufzählung von Schwierigkeitsgraden
und Seillängen, nein, sie gewährt überdies einen faszinierenden
Einblick in die Lebensart der Kletterszene und in die komplexe Denkweise
von Menschen, die ihr Leben in der Vertikalen verbringen. Boulderer und
Fee-Solo-Kletterer, Extremisten und Verrückte, Exzentriker und Ausgeflippte
- allesamt Klettersüchtige, die sich gewandt wie Spinnen über
die schwierigsten Wände der Welt bewegen, aber in ihrer "bürgerlichen"
Existenz meist hoffnungslos abstürzen.
Das
Autorenteam Hill/Child
weitet die Erzählperspektive genauso gekonnt auf die Geschichte des
Extremkletterns, wie sie sie wieder an Tragödien und Dramen verengt
oder den Leserblick an den kleinsten Riss des El Capitan zoomt.
Lynn
Hill, selbst ein "Dynamo von 1,52 m Größe", bricht
mit Konsequenz und Hartnäckigkeit in eine Männerdomäne
ein und bringt es zur besten Free-Climberin der Welt. An die Grenze des
Machbaren und darüber hinaus gehen, die Schwerelosigkeit überlisten,
aber auch das Klettern zur Selbstbefreiung und Therapie nützen, das
ist die Philosophie Hills und ihrer "Artgenossen".
"Bigwall-Thriller"
pur nicht nur für Kletterer - nur schwindelfrei sollte man sein ...
Zu
den Autoren:
Lynn
Hill (41), beste Free-Climberin der Welt, hatte Anfang der 90er Jahre
alle Wettbewerbe der Szene gewonnen. Nur die Natur konnte und kann sie
noch herausfordern. 1993 kletterte Hill als erste frei durch die Riesenwand
The Nose des El Capitan im Yosemite Nationalpark. Sie lebt in Colorado.
Greg
Child (43), international bekannter Kletterer und Bergsteiger, schreibt
seit zwanzig Jahren erfolgreiche Sportbücher und Magazinbeiträge.
Er lebt in Utah.
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