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Catherine Destivelle: Solo durch große Wände

Catherine Destivelle

Solo durch große Wände

2005, AS-Verlag, ISBN 3-909111-13-0, 272 Seiten

Klappentext:

Sie ist die bekannteste französische Kletterin und die erste Frau, die in den Achtzigerjahren eine Route im 8. Schwierigkeitsgrad kletterte. Durch ihre Siege bei Kletterwettkämpfen, ihre Begehungen extremer Wände in den Alpen und im Karakorum sowie durch ihre spektakulären Alleingänge begeisterte sie die internationale Bergsteigerszene. Sie wirkte in zahlreichen Filmen und Fernsehsendungen mit, die Zeitschriften waren voll von Berichten über ihre Unternehmungen, die Medien rissen sich um sie.
Catherine Destivelles Autobiografie beginnt mit einem Paukenschlag: Auf dem Gipfel eines Eisgipfels in der Antarktis macht sie einen Schritt zurück, um sich für das Gipfelbild zu positionieren – und tritt ins Leere. Nach einem Sturz über die Eisflanke hängt sie mit einem offenen Beinbruch im Seil, ohne Funkgerät, kilometerweit von der Zivilisation entfernt. Die dramatische Geschichte ihrer Rettung ist der Auftakt eines spannenden Buches, in dem sie die Entwicklung ihrer enorm vielseitigen Kletterkarriere mit ihren Höhen und Tiefen reflektiert. Sie berichtet von ihrer Erstbegehung im Alleingang durch die Westwand der Drus und von den Solo-Winterbegehungen der Eiger-Nordwand, des Walkerpfeilers und der Matterhorn-Nordwand. Seit 1997 ihr Sohn Victor geboren wurde, übernimmt sie als Mutter eine neue Rolle – ohne die Berge zu vernachlässigen: 1999 kletterte sie solo durch die Hasse-Brandler-Führe an der Großen Zinne.

"Catherine Destivelle kommt die Ehre zu, eine neue Kategorie in die Annalen des Alpinismus eingeführt zu haben: erste Solo-Winterbegehung einer Frau." Sylvain Jouty


Kommentar:

Ein Superweib

"Das ist doch ein Superweib – schade, dass ich sie nicht besser kenne!", schreibt Kurt Diemberger im Vorwort zu Catherine Destivelles Autobiografie. Diemberger nimmt den geheimen Wunsch vieler LeserInnen vorweg: Catherine Destivelle ist ein Mensch, dem man/frau wirklich gerne kennenlernen würde. Weil er mit kompromissloser Zielstrebigkeit und Willenskraft seinen Weg geht, weil er sich aus purer Lust am Sport in die Alpingeschichte geklettert hat, weil Destivelle als charismatische Frau frech in eine Männerdomäne eingebrochen ist, weil sie sich nicht nur als Fels-, sondern auch als Lebenskünstlerin bewies, die noch lange Gültigkeit haben wird. Ja, diesem "Superweib", diesem "Climbing Rock-Star", dieser "Felsballerina" und "Ästhetin des Kletterns", dieser "Tänzerin der Senkrechten" würde man wirklich gerne begegnen. Weil das nicht geht, hat sie ihr Leben in dieses Buch verpackt – und sich ihren Fans näher gebracht, als man es für möglich halten möchte. Offen und direkt die Einblicke in ihr immer unruhiges Kletterherz, unmittelbar und atemberaubend spannend die Schilderungen ihrer extremen Felstouren, da sitzt man neben ihr in einer Gletscherspalte, hängt an ihrem Seil, wenn sie die Drus, die Trangotürme, die Eiger-Nordwand durchklettert, fiebert mit bei den legendären Sportkletter-Duellen gegen Lynn Hill und darf tief in ihr stets von Entdecker- und Bewegungsdrang durchflutetes Gemüt abtauchen.

Catherine Destivelle war schon als Kind von unzähmbarer Lust an der Bewegung getrieben. Als Jugendliche entwickelt sich das Klettern "nach und nach zu einer Sucht", mit eisernem Willen, hartem Training und unfassbarer Selbstdisziplin arbeitet sie sich schließlich an die Spitze der Kletter-Weltelite. Dabei hat sie es nicht leicht: Zeitweise Spielsucht, Verletzungen, Frust und Krisen werfen sie immer wieder zurück. Aber sie bleibt nicht stecken: Im Gegensatz zu vielen ihrer Standesgenossinnen sattelt sie von künstlichen auf natürliche Wände um und entwickelt sich von einer Weltklasse-Sportkletterin zu einer führenden Alpinistin, die mit den eisigen Höhen des Makalu genauso gut zurecht kommt wie mit den Grandes Jorasses, der Drus oder der Eiger-Nordwand im Winter, die sie sogar solo durchsteigt.

Was aber Destivelle so überaus sympathisch macht, ist ihre unkomplizierte, luftig-heitere Art, ihr geradliniger Lebensstil, ihre Lockerheit im Umgang mit Männern und ihre Bescheidenheit. Sie, die allen Grund gehabt hätte, sich als Ikone der Emanzipation feiern zu lassen, bleibt immer sie selbst. Das Wesen des "Superweibs" kennzeichnen weder Arroganz noch feministische Abgehobenheit, sondern eine erdige Verbundenheit mit Natur und Mitmenschen. "Sie ist schnell, entschlossen, sie hat einen unglaublichen Willen, ist dabei gleichzeitig rational – und keineswegs ohne Gefühl. In ihren Augen kann man den Schalk blitzen sehen, aus ihrem Lachen tönt die Lebensfreude.", beschreibt sie Diemberger. "Ich hatte das Glück, einige Talente zu haben, um das Beste daraus zu machen, und von meiner Umwelt und von Umständen zu profitieren, die mir halfen, an das Ziel meiner Träume zu gelangen. Nun liegt es an mir, das an meine Umgebung zurückzugeben, was ich bekommen habe." Mit diesen Worten beschließt Catherine Destivelle eines jener seltenen Bücher, für die man dankbar ist.


Zur Autorin:

Catherine Destivelle, geboren 1960, wuchs in Paris auf und begann in Fontainebleau zu klettern. Sie ist ausgebildete Physiotherapeutin, gehörte jedoch bald zu den ersten professionellen Bergsportlern. Durch ihre Siege bei Kletterwettkämpfen und ihre aufsehenerregenden Solo-Winterbegehungen, aber auch durch zahlreiche Filme und Veröffentlichungen in Zeitschriften und Büchern ist sie einem breiten Publikum bekannt. Sie berät Ausrüstungshersteller sowie Firmen zu den Themen Zielorientierung, Teamwork und Risikomanagement; außerdem gehört sie dem internationalen Beratungskomitee des Banff Centre for Mountain Culture in Kanada an. Sie lebt ihrer Familie in Les Houches bei Chamonix.