Seine
Gemälde hochalpiner Szenerien machten E. T. Compton weithin bekannt.
Der begeisterte Bergsteiger unternahm zudem weite Reisen, die ihn von
Nordafrika bis hinauf zum Nordkap führten.
"Gestern
mittag ist nun endlich erlösend der Tod zu meinem Vater gekommen.
Ob er wohl jetzt die strahlenden lichten Höhen und die Gottesherrlichkeiten
schaut, auf die er immer so zuversichtlich gebaut hat?", schrieb
Comptons Tochter Marion am 23. März 1921 an Dr. Karl Blodig, dem
treuen Freund und langjährigen Seilgefährten des Verstorbenen.
Schon Fritz Schmitt, der bekannte Bergsteiger-Biograf, der sich auch
mit E. T. Compton beschäftigt hat, nannte diesen einen zweifachen
Klassiker: Als Maler und Zeichner hat er an die 2000 Zeichnungen und
Gemälde geschaffen und als Bergsteiger konnte er gut 300 bedeutende
Ersteigungen durchführen. Die meisten Bergsteiger haben sicher
schon einmal eine alpine Szene dieses bedeutenden Malers zu Gesicht
bekommen, doch nur wenigen ist bekannt, dass Compton auch außeralpine
Gebiete besucht hat, wie beispielsweise die Lofoten und das Schottische
Hochland, aber auch die Hohe Tatra, das Nordkap und die Hebriden.
Compton
kam in einem Londoner Vorort als Sohn eines Versicherungsbeamten zur
Welt. Als junger Mensch besuchte er verschiedene englische Kunstschulen
und schuf zunächst Naturstudien, wobei er geeignete Motive vor
allem in den englischen Seengebieten fand, in denen seine Familie über
viele Jahre hinweg den Sommer verbrachte. 1867 übersiedelte man
schließlich nach Darmstadt. 1872 heiratete der junge Maler die
Münchnerin Gusti von Romako und unternahm mit ihr eine zweijährige
Reise, die das junge Paar nach Tirol, Kärnten und Italien führte.
1874 ließen sich die beiden schließlich in Feldafing nieder,
wo sie sich ein behagliches Heim errichteten.
E. T. Compton bereiste nun Nordafrika, Spanien, Korsika und Skandinavien,
den größten Eindruck machten auf ihn jedoch die gewaltigen
hochalpinen Szenerien im Berner Oberland, so dass er sich fortan nur
mehr der Gebirgsmalerei widmete. Anfänglich noch der englischen
Romantik verhaftet, entwickelte er später eine zunehmend realistische
Darstellungsweise. Er malte Ölbilder und Aquarelle, schuf aber
auch Tuschezeichnungen und topographisch genaue Hochgebirgsdarstellungen.
Seine vom eigenen Erleben geprägten Werke mit ihren äußerst
anschaulichen Szenen sind häufig von hohem dokumentarischem Wert,
lassen sie uns doch einen eindrucksvollen Blick in die Frühzeit
des Alpinismus tun. Nicht unerwähnt möge in diesem Zusammenhang
auch seine Tätigkeit als Illustrator für verschiedene alpine
Publikationen und Zeitschriften sein. So etwa gehen die Abbildungen
in Emil Zsigmondys
Buch "Im Hochgebirge" (1889) auf ihn zurück, ebenso die
Illustrationen in "Alpinismus in Bildern" von Steinitzer (1913)
oder "Über Fels und Firn" von H. Hess (1901). Viele seiner
Arbeiten kamen in Form von Ansichtskarten auf den Markt, die heute vor
allem in Sammlerkreisen sehr geschätzt werden. Aber auch die alpinen
Vereine erwarben seine Bilder, und noch heute hängt in so manchem
Vereinslokal ein "echter Compton" an der Wand.
"Sein
bergsteigerisches Können, seine bewundernswerte Ausdauer und sein
Pfadfindertalent werden vielleicht noch von seinem Gleichmute und seiner
unverwüstlichen Heiterkeit übertroffen." Karl Blodig
über E.T. Compton
Während
des Ersten Weltkriegs erreichte Compton eine Einladung des österreichischen
Heereskommandos, Bilder von der Gebirgsfront zu malen. Das Bayerische
Oberkommando untersagte ihm dies aber, obwohl sich Berlin zustimmend
geäußert hatte. Zudem wurde er von der Münchener Künstlergenossenschaft
ausgeschlossen, weil er Engländer war. Bis zu diesem Zeitpunkt
konnte er sich mit seinen Werken an zahlreichen Ausstellungen beteiligen,
was seiner Popularität als Künstler, der seit 1880 auf eine
Mitgliedschaft bei der angesehenen Royal Academy verweisen konnte, sehr
entgegenkam. Mit seinen Arbeiten beeinflusste E. T. Compton die Werke
von Ernst Heinrich Platz, Karl Arnold und nicht zuletzt auch die seines
Sohnes Edward Harrison Compton (1881 1960). Viele seiner Berggefährten
konnten E. T. Compton bei seinen Arbeiten beobachten. Von einer Begegnung
mit einem Kärntner Bauern berichtet Dr. Karl Blodig im "Bergsteiger"
(1938/39, S. 678 ff.) folgendermaßen: "Als er (Compton)
einmal einem Bauern sein Skizzenbuch durchzublättern erlaubte,
brach der zuletzt in die Worte aus: ,Bua, Bua, aber du kannst es!
Über eine weitere köstliche Begegnung berichtet Blodig in
dem erwähnten Aufsatz an anderer Stelle. Compton arbeitete in der
Umgebung von Chamonix an einem Bild der kühn aufragenden Aiguille
du Midi, als ein Spaziergänger gönnerhaft bemerkte: "Cest
bien, continuez comme ça!" ("Das ist gut, machen
Sie nur weiter so!) Nach einer halben Stunde kam der Mann wieder,
blickte Compton über die Schulter und sagte: "Ah, Monsieur,
vous êtes peintre" ("Ah, mein Herr, Sie sind
ein Maler.") Schließlich kam der Franzose ein drittes
Mal vorbei. Das Bild war schon ziemlich weit gediehen, und voller Staunen
sagte er diesmal: "Ah, Monsieur, vous êtes un artiste!"
("Ah, mein Herr, Sie sind ein Künstler!") Als
dann der Kritiker nach einiger Zeit noch einmal bei Compton vorbeischaute,
verneigte er sich tief und rief: "Pardon Monsieur, vous nêtes
ni peintre et ni artiste, vous êtes un grand génie!"
("Entschuldigung, mein Herr, Sie sind weder ein Maler, noch
ein Künstler, sondern ein großes Genie!")

Der
Wolfendorn am Brenner
Der geniale
Hochgebirgsmaler war jedoch auch ein ausgezeichneter Bergsteiger. Unter
seinen zahlreichen Touren in Ost- und Westalpen finden sich nicht weniger
als 27 Neutouren bzw. Erstersteigungen. "Nach Purtscheller nimmt
Compton von allen trefflichen Bergsteigern, mit denen zu wandern mir
beschieden war, unbestritten den ersten Platz ein", schreibt
Dr. Karl Blodig. "Sein glänzendes bergsteigerisches Können
auf Eis und Fels, seine geradezu bewundernswerte Ausdauer, seine unerschöpfliche
Geduld im Ertragen von Mühseligkeiten, sein wirklich geniales Pfadfindertalent,
sie alle werden vielleicht noch von seinem erhabenen Gleichmute und
seiner unverwüstlichen olympischen Heiterkeit übertroffen."
Diese Leistungen waren es auch, die 1880 den exklusiven britischen Alpine
Club bewogen, E. T. Compton die Mitgliedschaft anzubieten. Im selben
Jahr konnte er auch dem Österreichischen Alpenklub beitreten. Darüber
hinaus nahmen ihn der Deutsche und Österreichische Alpenverein
(DuÖAV) und der Schweizer Alpenklub (SAC) in ihre Reihen auf. 1919
unternahm Compton seine letzte große Bergfahrt, die ihn auf den
Großglockner führte. Anlässlich seines 70. Geburtstags
wurde der Bau der Compton-Hütte am Reißkofel (Kärnten)
beschlossen, ihre Eröffnung fand jedoch erst nach seinem Tod im
Jahr 1928 statt.
Die
Compton-Hütte in der Reißkofel-Gruppe (1929)