Die
Ersteigung des Cho Oyu war für Herbert Tichy bloß der Höhepunkt
zahlreicher Asienreisen. Auch die " weißen Flecken"
der anderen Kontinente übten auf den ruhelosen Globetrotter eine
unwiderstehliche Anziehungskraft aus.
"Ich
weiß nicht genau, was Pasang fühlte, als er mich am Gipfel
des Cho Oyu umarmte und Tränen über sein hartes, vor Anstrengung
gefurchtes Gesicht liefen. Zwanzig Jahre eines einmaligen Bergsteigerlebens
hatten ihren Höhepunkt gefunden und das Glück des Erfolges
muss ihn erfüllt haben. Ich kann auch nicht sagen, was Sepp
Jöchler empfand. ... Ich weiß nur, dass auch er Tränen
in den Augen hatte und vor innerer Bewegung kaum sprechen konnte.
... Sepp sagte beim Abstieg: ,Nach einem Achttausender bist du nicht
mehr derselbe.' Ich glaube, dass man das Erlebnis des Gipfels nicht
kürzer und klarer ausdrücken kann", schrieb Dr. Herbert
Tichy 1955 in der "Österreichischen Alpenzeitung"
anlässlich seiner Erstbesteigung des 8189 m hohen Cho Oyu im Himalaya.
Seinem darüber noch im selben Jahr in Buchform erschienenen Expeditionsbericht
fügte er voller Demut noch den Untertitel "Gnade der Götter"
hinzu.
Doch
nicht nur nach Asien trieb es den ruhelosen, stets von Entdeckerdrang
besessenen Globetrotter, auch andere Kontinente übten auf ihn eine
unwiderstehliche Anziehungskraft aus.
Auf
Pilgerfahrt
Die Ersteigung
des Cho Oyu war indes bloß Höhepunkt zahlreicher Asienreisen,
die Tichy von jungen Jahren an unternommen hat. Er studierte Geologie,
wobei er sich ganz besonders dem Himalaya widmete. Es gelang ihm, 1935
eine Puch 250-Geländesportmaschine bis nach
Kaschmir zu schaffen, um hier seine geologischen Studien betreiben zu
können. In der Folge bereiste er Burma, das Kopfjägergebiet
der Naga und begab sich schließlich auf den Spuren des berühmten
Sven Hedin nach Tibet. Dabei musste er sich als indischer Pilger verkleiden
und gelangte so bis an den Fuß des heiligen Berges Kailash, den
er umrundete. Schließlich durchquerte er auch noch auf seinem
Motorrad das wilde Afghanistan.
Die Eindrücke
dieser Reise, die damals großes Aufsehen erregte, hat Herbert
Tichy in seinem 1937 erschienenen
Buch "Zum heiligsten Berg der Welt" geschildert, zu
dem Sven Hedin das Geleitwort verfasst hat. Noch im selben Jahr konnte
er seine Studien abschließen und eine Dissertation unter dem Titel
"Die Schaarung des Muzaffarabad in Beziehung zum Gesamtbau
des Pir Panjal" vorlegen.
Immer wieder
erhielt er bei seinen Reisen journalistische Aufträge, denen er
zur vollsten Zufriedenheit nachkam. Ein solcher ließ ihn während
des Zweiten Weltkriegs in China stranden. Hier saß er von 1941
bis 1948 fest, ehe er wieder in die Heimat zurückkehren konnte.
In seinem Buch "Weiße Wolken über gelber Erde"
hat er seine Erlebnisse und Eindrücke aus dieser Zeit festgehalten.
So bald es ging, nahm er seine Reise- und Forschungstätigkeit wieder
auf. So durchquerte er bereits 1953 den Westen Nepals, wo abermals ein
Buch entstand, diesmal unter dem Titel "Land der namenlosen
Berge", das - wie eigentlich alle Werke Tichys - zum Bestseller
geriet. Doch nicht nur nach Asien trieb es den ruhelosen, stets von
Entdeckerdrang besessenen Globetrotter, auch andere Kontinente übten
auf ihn eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus.
Er
gehörte zu jenen, die noch ,vom Lande lebten'. Wenn er von einem
hohen Pass in ein unbekanntes Tal abstieg, wünschte er sich nichts
sehnlicher, als kein Fremdkörper in dieser wundersamen Welt zu
sein.
So etwa
reiste er 1963 von Kapstadt bis nach Nairobi und 1971/72 nach Indonesien.
1976 schließlich unternahm er eine Autofahrt nach Pakistan. Eine
seiner letzten Reisen führten den Forscher an die Ufer des im Norden
Kenias gelegenen Turkana-Sees, den 1888 die aus dem alten Österreich-Ungarn
stammenden Entdecker Samuel Graf Teleki von Szèk und Ludwig von
Höhnel "Rudolfsee" genannt hatten. Tichys packende
Schilderungen kann man in seinem letzten Buch "See an der Sonne"
(1980) nachlesen.
Einzelgänger
unter Einzelgängern
"Er
gehörte zu jenen, die noch ,vom Lande lebten.' Wenn er von einem
hohen Pass auf unwegsamen Pfaden in ein unbekanntes Tal abstieg, wünschte
er sich nichts sehnlicher, als kein Fremdkörper in dieser wundersamen
Welt zu sein. Zu Tichys wahren Lehrmeistern zählten vor allem die
Heiligen des Himalaya: Sadhus, Gurus; Einzelgänger unter Einzelgängern,
kaum von menschlicher Wärme umgeben. Auch Tichy war allein!",
schreibt Irene Hondt in einem Nachruf, der 1987 in den Mitteilungen
der Österreichischen Geographischen Gesellschaft erschienen ist.
Bei Tichy
stand stets der Mensch im Mittelpunkt seiner Forschungen. "Man
sagt, wenn man ein Volk kennen lernen will, muss man mit den Männern
arbeiten und den Frauen schlafen. Ich sag' auch noch: Man muss dort
arm sein", meinte er einmal in einem Interview. Als Tichy,
der außer Englisch, Chinesisch und einigen indischen Dialekten
keine weiteren Sprachen beherrschte, einmal gefragt wurde, wie es denn
mit der Verständigung in fernen Ländern bestellt sei, antwortete
er, dass man Menschen viel besser verstehen kann, wenn sie schweigen;
und so war auch sein Schweigen stets eine Offenbarung.
Tichys
Bücher waren stets und sind auch heute noch sehr populär, sie
erlebten mehrere Auflagen und viele von ihnen wurden in andere Sprachen
übersetzt. Doch nicht nur als Autor war Tichy in breiten Bevölkerungskreisen
bekannt und beliebt, auch als Korrespondent und Vortragender war sein
Name weit über Österreichs Grenzen hinweg zum Begriff geworden.
Es ist also kein Wunder, dass er im Laufe seines Lebens zahlreiche Auszeichnungen
erhalten hat, wie beispielsweise den Dr.-Karl-Renner-Preis, den Jugendbuchpreis
der Stadt Wien, den Österreichischen Staatspreis für Kinder-
und Jugendliteratur, das Große Ehrenzeichen für Verdienste
um die Republik Österreich, die Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt
Wien in Silber, das Goldene Ehrenzeichen für die Verdienste um das
Land Wien und viele mehr. Er war Ehrenmitglied bei zahlreichen Vereinigungen
(wie etwa bei der Österreichischen Geographischen Gesellschaft, bei
der Chinesischen Gesellschaft und beim Pen Club).