Wie Bojen im Hügelmeer markieren Marterln den Weg ...
Start zur zweiten Etappe in der Kraftarena Groß Gerungs. Ouvertüre auf einem kurzen Bergab durch Wald, dann über und entlang der Zwettl durch stilles Wald- und Wiesengelände der Sonne entgegen. Ab nun wechseln wie die Takte einer beschwingten Operette kleine Dörfer, Lichtungen und dunkler Tann – das Waldviertel drückt uns hier seinen Swing-Rhythmus auf, mit gleichmäßigen, lockeren Pedaltritten gleiten wir über eine jener sanft gewellten Hochebenen, die auf Anhieb bezaubern: versetzt mit goldbraunen Feldern, tiefgrünen Waldflecken und bunten Schmetterlingswiesen reicht dieser Landschaftsteppich bis an den Horizont. Surfin' Waldviertel par excellence. In Kottingmondorf treffen wir zwei Wochenendhäusler bei der Tischlerarbeit – auch sie gehören hierher, Stadtflüchtlinge, die sich hier ein kleines Paradies im Paradies aufbauen. Kurz danach wieder durch reife Felder, die sich wie ein Meer bei aufkommendem Sturm wellen, wenn der Wind durch sie hindurchstreift. So wechseln sehr angenehm Asphalt-, Feld- und kleine Waldwege. Es wird nie anstrengend, aber auch nie richtig geruhsam! Denn sobald man glaubt, man könne sich ausruhen und fallen lassen, zweigt der Weg schon wieder ab, um uns etwas bergauf zu einem weiteren hübschen Waldviertel-Viertel zu entführen. Als wir so verträumt dahintrotten, treffen wir abermals auf die zwei Weekend-Tischler von vorhin – unwissentlich haben wir also eine Strafrunde gedreht. Also nochmals angesetzt und jene Markierung gesucht, die uns von der Landstraße hätte weglenken sollen. Von Gestrüpp überrankt finden wir sie endlich und steuern gen Groß Grundholz weiter. Die Lehre: Trotz dem der Granittrail insgesamt ausgezeichnet beschildert, ein Verfahren also fast nicht möglich ist, sollte man stets aufpassen, ob der Weg nicht unvermutet in die Botanik abzweigt. An einigen wenigen Stellen verbirgt sich das gelbe Schild im Gebüsch, einmal übersehen, kann eine unliebsame Strafrunde ergeben. Zurück zu unserem Weg: Es bleibt bezaubernd, der Liebreiz der Landschaft ist kaum zu übertreffen, immer wieder bleiben wir stehen, lassen das Bild auf uns wirken, fotografieren. Auffallend die vielen Marterln, die wie Bojen im Hügelmeer den Weg markieren. Immer wieder leisten uns Zitronenfalter Gefolgschaft. Ein wenig fühlt man sich hier als Eindringling, als Fremder auf einer verbotenen, weil unberührten Insel.
Unschwierige Wege durch reife Kornfelder machen die Tour zum Genuss.
Sobald wir Kamp erreichen, erhebt sich weit vorne die Ruine von Arbesbach, einem kleinen, aber feinen Hauptort im Granitland. Etwas abseits der Straße, letztendlich auf ihr, nähern wir uns ihr bis an ihre Grundmauern. Der weithin sichtbare "Stockzahn des Waldviertels", wie die Burg gerne genannt wird, thront seinerseits 18 m hoch auf einem Granitturm. 824 Jahre lang harrt die einstige Vorburg für Rappottenstein schon hier aus und wartet auf Feinde, die ewig auf sich warten lassen. Aber es sind nur Touristen und wir Radler, die sich an sie heranwagen – ungefährlich. Gleich nach der Ruine geht's wieder in die Botanik. Kurzer Downhill. Danach lohnt es sich, hin und wieder stehenzubleiben und zurückzuschauen: Nahtlos eingewoben in die Wälder ringsum, erscheinen die Stadt und ihre Burg wie das Stuckelement eines großes Kunstwerks. Nach Arbesbach treffen wir auf eine Bauernfamilie, deren vielstimmiges, freundliches "Grüß Gott" bedeutet, dass wir hier zwar Fremde sind, aber gern gesehene und willkommene. Auch in den Gasthäusern nimmt man uns mit einer Offenheit auf, die uns verblüfft. Hier fühlen wir uns wohl. Pudelwohl. Plötzlich ein Kornfeld, durch das nur zwei kleine, schuhbreite Pfade führen, gerade, dass wir mit unseren Rädern hineinpassen. Die Halme kitzeln unsere Schenkel, es ist, als würde sich hier das Meer teilen und wir führen mittenhindurch. Nach Altmelon ein ordentlicher Downhill, oder besser: downwood, wo es über Wurzeln und Steine rattert, dass die Bremsen glühen und das Abfahrerherz lacht. Dass es nicht eintönig wird und auch der Downhiller was davon hat, weckt uns alle paar Stunden eine ordentliche Abfahrt aus der fast einschläfernden Wellenreiterei. Dem nicht genug, folgt nun eine jene eindrucksvollen Passagen, von der der Trail seinen Namen hat. Auf dem Weg zur "Luaga Luckn" nämlich liegen wie hingeworfen massenweise Granitblöcke. Moosbewachsen, von Bächen umspült, von Farnen umwachsen türmen sich die runden Steine manchmal haushoch über unsere Köpfe, drohen loszurollen und uns unter sich zu begraben. Ein seltsames Bild, eine seltsame Millionen Jahre alte Geschichte. Vor etwa 300 Millionen Jahren soll sich hier ein Gebirge aufgetürmt haben, ehe ihm Wind und Wetter den Garaus machten. Als hartnäckige, ewig bestehende Überbleibsel zieren nun diese Steinchen die Landschaft und erinnern uns an die Endlichkeit unserer eigenen Zeit.
Jack London was here – am Ufer eines Sees mit Trapperhaus, Booten und Lagerfeuerromantik.
Das Rad stehen gelassen und die Ruder in die Hand genommen – toller Ausgleich zur Strampelei ...
Eine Forststraße führt uns nun um den Wachtberg herum, ehe sie zu einem ewig langen Uphill ansetzt. Ablenkung gewährt uns ein idyllischer Bergsee samt Hütte, Booten und Lagerfeuerplatz. Trapperidylle á la Jack London. Hin und wieder taucht ein Fisch hoch, wellt das schwarz-grüne Wasser, am Ufer eine kleine Seerosenzucht, ansonsten Stille. Wir erliegen der Versuchung, vom Rad ab- und ins Boot zu umzusteigen und durch den See zu rudern. What a Feeling! Es tut gut, einmal auszusetzen, auszuatmen, zu pausieren und den Armen die Arbeit zu überlassen. Die Etappe hat es nämlich in sich, die Höhenmeter summieren sich so sehr, dass auch Könnern wie uns die Zunge bis zum Kettenblatt herabhängt. Nach dem See weiterhin elendslang bergauf bis knapp unter den Hengstberg und die Große Föhrenscheibe, wo – endlich! – die Häuser von Bärnkopf zwischen den Bäumen hindurchschimmern.
Mit dieser höchstgelegenen Gemeinde des Waldviertels am Fuße des Weinsbergs (mit 1041 m einer der höchsten Erhebungen hierzulande) ist das Ziel der zweiten Etappe erreicht. Erschöpft lassen wir den Blick über den Weinsberger Wald streifen, das größte zusammenhängende Waldgebiet Österreichs. Pause und Einkehr in einem der Gasthäuser des Ortes, der vor allem als Langlauf-Zentrum bekannt und beliebt ist, als "Luftkurort" allerdings auch im Sommer einiges zu bieten hat.
Granit
Granitsteine sind im Norden des Waldviertels ganz besonders ausgeprägt und häufig zu finden.
Man vermutet, dass hier vor Jahrmillionen ein Gebirge verwitterte und die großen Blöcke als letzter sichtbarer Rest darauf hindeuten. Den gewaltigen Steinen traut man geheimnisvolle Kräfte zu, heilende Wirkungen und mythische Bedeutungen. Manche von ihnen werden für Opfersteine gehalten, andere faszinieren, weil sie wackeln ("Wackelsteine"). Diese Granitsteine sind neben den dunklen Wäldern ein Grund für den Ruf des Waldviertels, ein besonders mystisches, fast unheimliches Land zu sein.
Manche Härtlinge und Restlinge weisen an ihrer Oberseite runde und ovale Vertiefungen auf, diese Formen bezeichnet man als Schalensteine (Im Volksmund Blutschalen, Opferschalen, Teufelssitze oder Fruchtbarkeitssteine genannt), deren Entstehung unklar ist. In den Granitblöcken sind meist mit Regenwasser gefüllte Vertiefungen zu sehen. Geologen betonen die natürliche Entstehung dieses Phänomens, Andersgläubige sind sicher, dass es sich um keltische Opferschalen handelt.
Groß Gerungs gehört wie Langschlag, Arbesbach, Altemelon, Bärnkopf und Gutenbrunn zur Gruppe der "Hochlandorte", wo es im Winter übrigens vorzüglich langlaufen lässt. Hauptattraktion der "Kraftarena" ist die rund 6 Meter hohe und 16 Meter dicke "Steinpyramide".
Die Burg Arbesbach, genannt "Stockzahn des Waldviertels", liegt auf über 900 m auf einer Granitformation. Sie entstand am Ende des 12. Jahrhunderts inmitten des Arbesbacher Waldes an der damaligen Fernstraße von Spitz nach Freistadt und wurde um 1190 von den Kuenringern der Linie Weitra-Rappottenstein erbaut.
Arbesbach entstand Anfang des 13. Jahrhunderts unterhalb dieser Burg als wirtschaftlicher und seelsorglicher Mittelpunkt der Herrschaft. 1246 wird die Pfarre Arwaizpach erstmals urkundlich erwähnt. Am südwestlich der Ortschaft gelegenen Galgenberg befindet sich in einem Wald ein Galgen, welcher im Jahr 1728 zuletzt für eine Hinrichtung benutzt wurde. Der Galgen ist auf einem Granitfelsen errichtet und besteht aus drei Steinsäulen und einem Mauerkreis mit Durchgang.
Bärnkopf liegt im Zentrum des größten geschlossenen Waldgebietes Österreichs. Mit 1000 Meter Seehöhe ist der Ort die höchstgelegene Gemeinde des Waldviertels. Gegründet wurde Bärnkopf als Holzfällersiedlung. Absolut ruhig, kein Verkehr und mit einer ausgezeichneten Luft – im wahrsten Sinne des Wortes – wurde doch Bärnkopf vom Amt der NÖ Landesregierung das Prädikat "Luftkurort" verliehen. Im Sommer kann man unter etlichen markierten Rundwanderwegen und Mountainstrecken wählen, im Winter stehen über 70 km Langlauf-Loipen zur Verfügung.
Schwierigkeiten:
Bei mbike.at als die leichteste Tour bezeichnet, sehe ich sie als die schwerste. Während mbike.at nämlich von nur 440 Höhenmetern spricht, misst mein Höhenmesser glatte 850! Wo liegt da der Hund begraben? Auf jeden Fall handelt es sich um eine anstrengende, aber durchaus machbare und überaus lohnende Tour, wenn man sich Zeit lässt. Mehrere Schilder verstecken sich unter Gestrüpp, also aufpassen.