Kurz nach Bärnkopf neben der Landstraße durch Granitstein-gepflasterten Wald in den Saggraben. Der Tann hier scheint frischer, saftiger, grüner, moosiger als anderswo. Nun, begleitet von einem Bach, nicht anstrengend, aber lange bis auf rund 900 hm bergauf. Am sehr idyllisch gelegenen StifterTeich vorbei bergab bis zum Edlesberger Teich, wo sich eine Einkehr in der Biker-Pension Seewolf empfiehlt. Danach verliert die Landschaft das Düstere des Waldes und gewinnt an Weite und Helligkeit, sobald wir die sonnenüberfluteten Felder von Martinsberg und Gutenbrunn durchfahren, das mit dem nahen Bärnkopf ist Gutenbrunn eines der beliebtesten Langlaufzentren nördlich der Donau ist.
Danach wieder Wald, bis sich jener Ausblick öffnet, für den diese Etappe mit dem goldenen Landschaftspreis ausgezeichnet werden sollte: Vor uns breitet sich weit, weit bis an die Donau hinunter das Yspertal aus. Das Yspertal. Sicher eines der schönsten und anmutigsten Winkel des Landes. Wir bleiben lange stehen, staunen, wie dieser Taltrog anmutig zwischen dem Ostrong-Gebirge (Großer Peilstein) und der Burgsteinmauer hin und her schwingt. Alles scheint nahtlos ineinander zu verfließen, zu verschwimmen: die Wälder in die Felder, das alles beherrschende Grün in das Blau des Himmels, das Rauschen der Ysper in das Rauschen der Wiesen. Sanft und unbeherrscht, kraftvoll und wieder ganz zahm schlängelt sich der Fluss am Weg zur Donau kristallklar durch's südwestliche Waldviertel und gibt einem der reizvollsten Flecken Erde seinen Namen. Wie aufmerksame Wächter umringen fünf Eintausender das Yspertal: Der Große Peilstein, Kaiserstein, Burgstein, Schöberlberg und der Hochwaad schützen das kleine Paradies vor Massentourismus, Verkehr und Industrie. Man merkt auf den ersten Blick, dieser Landstrich soll den Sanften vorbehalten sein – den Erholungssuchenden, den Wanderern, den Radlern, die hier ihr grünes Paradies finden. Weil hier das Waldviertel sanft ins Donautal abfällt, nennt man hiesige Region auch "Donauwaldviertel". Der Blick von unserer Aussichtsterrasse auf die Voralpen bis hinein zu den Gesäusebergen ist, wenigstens an klaren Tagen, überwältigend. Dominant aber stets König Ötscher und der Torwächter Peilstein.
Das Yspertal scheint noch breiter und weiter als andere Waldviertler Täler ...
Wir radeln nun nicht mehr, wir schaukeln, pendeln, schwingen durch das Tal. Aber nicht zu schnell, noch steht uns ein rassiger Downhill oder besser: eine "Downwies'n" bevor – und das ordentlich. Eine Abfahrt genau richtig für Verrückte wie meinen Wegbegleiter Roger, der sich fallen lässt, als gäbe es weder Boden unter den Füßen noch die Schwerkraft. Meine vorsichtigen Bremsen hingegen rauchen und glühen, schließlich will ich am Ziel alle meine Knochen beinander haben. Dann stehen wir mitten im Yspertal, um uns herum nur Landschaft, gepflegte Felder, gepflegte Dörfer, Häuser, Gärten, selbst die Menschen erscheinen gepflegter als anderswo. Und gemächlicher. Man scheint hier diesen Platz zu lieben, in ihn hineinzuleben, nicht aus ihm heraus wie anderswo; so lässt man sich anstecken von der Sanftmut der Natur, lässt sich von ihr tragen und wiegen, da gibt's kein Laufen, keine Hast, selbst die BMWs der Wochenendhäusler fahren Traktorgeschwindigkeit. Was das Yspertal alles kann, will man uns auch zeigen! Immer wieder nämlich zweigt der Weg irgendwohin ab, anstatt auf der gemütlichen Landstraße zu verbleiben. Nicht von ungefähr beschleicht uns das Gefühl, dass man uns etwas umständlich kreuz und quer und quer und krumm und auffi und owi lenkt, damit wir ja alles sehen, was das Paradies alles zu bieten hat. Einerlei, so lernen wir aus allen Blickwinkeln eben Pisching, Parming und wie die Dörfer alle heißen, kennen, und auch der Teiche werden wir ansichtig, auch hübsch, und der netten Feldpassagen, Gehöfte, Kircherln und Aussichtspunkte – alles hübsch, hübsch, hübsch. Eigentlich haben sie ja nicht Unrecht, die Routensetzer, das Yspertal verdient Anerkennung, ja Huldigung! Bei mir hat die Führung jedenfalls den Funken überspringen lassen und den Wunsch keimen, hier einmal zu urlauben. Für die Besichtigung des Prunkstücks dieses Prunkstücks, nämlich der Ysperklamm, bleibt heute keine Zeit, aber ich komme ja wieder ...
Einer der Teiche, die bei dieser Etappe passiert werden ...
Das Rad steht Kopf vor Begeisterung über den Granittrail ...
In Altenmarkt, dem Ausgangstor des schönen Tals verlassen wir das Paradies wieder. Hier kann man sich entscheiden zwischen der Landstraße, die zuerst bergan, dann aber erholsam bergab zum Ufer der Donau führt, oder aber man wählt einen letzten anstrengenden Bergtrail durch den Südausläufer des Ostrong. Über diese Bergwertung ist in einem Radler-Forum Folgendes zu lesen: "Der letzte Berg über Neuwaldhäusl kann nur Selbstquälern empfohlen werden. Schiebend bewältigen wir die Höhenmeter über Stock und Stein und noch mehr Stock. Es bietet sich am Gipfel kein Panorama, auch die Abfahrt kann die unlustige Schieberei nicht mehr wettmachen". Überredet, wir nehmen die Straße nach Persenbeug, dem Ziel des Granittrails. Geschafft! 155 Kilometer Waldviertel liegen hinter uns. Das Resümee ist eindeutig: Diese Art von Wellenreiten birgt Suchtgefahr, Sucht nach mehr Radfahren, Sucht nach mehr Waldviertel. Schließlich gibt es ja noch einige Rundtouren um andere schöne Winkel, die es hierzulande zu erkunden gilt. Aber das ist eine andere Geschichte. Heute heißt die Devise nur noch: Heim, duschen, schlafen ...
Bärnkopf
Bärnkopf liegt im Zentrum des größten geschlossenen Waldgebietes Österreichs. Mit 1000 Meter Seehöhe ist der Ort die höchstgelegene Gemeinde des Waldviertels. Gegründet wurde Bärnkopf als Holzfällersiedlung. Absolut ruhig, kein Verkehr und mit einer ausgezeichneten Luft – im wahrsten Sinne des Wortes – wurde doch Bärnkopf vom Amt der NÖ Landesregierung das Prädikat "Luftkurort" verliehen. Im Sommer kann man unter 7 markierten Rundwanderwegen und Mountainstrecken wählen. Im Winter stehen über 70 km Langlauf-Loipen zur Verfügung.
Keine Schwierigkeiten. Die gute Beschilderung, wenige Steigungen, die vielen Einkehrmöglichkeiten unterwegs machen diese Etappe zu einer würdigen und genüsslichen Finaltour ...
Es gibt welche, die die gesamte Tour an EINEM Tag absolvieren – als Training für einen Rad-Marathon etwa. Für Radler Normalverbraucher ist der Granittrail auf einen Schlag nicht zu schaffen, bestenfalls in zwei Teilen, am besten jedoch gemütlich in drei Etappen mit Übernachtung in oben genannten, wirklich empfehlenswerten Unterkünften. Die Bahnverbindung nach Gmünd bzw. von Persenbeug nach Hause stellt kein Problem dar. Entscheidet man sich für zwei Etappen, birgt dies eine logistische Herausforderung, da sowohl Groß Gerungs als auch Bärnkopf/Gutenbrunn nur sehr schwer mit Öffis ansteuerbar sind.
Literaturtipp:
Othmar Pruckner: Das Waldviertel. Falter, 2009 (3. Auflage). Alle Infos, alles Wissen, alle Möglichkeiten puncto Waldviertel. Bei Amazon bestellen ...