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Iran – Demawend

September, 2009; Text/Bilder: Thomas Rambauske

Tag 3

Teheran – Rudbarak
(nördliches Elburs-Gebirge)

 

 

 

 

Landschaft
Steppen, Bergketten, aber auch bewaldete Täler machen die Landschaft Persiens aus.

 

Essen wie die Götter
Das Essen ist äußerst gesund un bekömmlich.

Essen
Kebab-Spieße und Reis mit Safran stehen auf der traditionellen Speisekarte.

 

Am Fluss
Wie die Götter in Tausendundeiner Nacht liegen wir auf den Pritschen am Fluss und genießen das Leben.

Nun geht’s endlich los, raus aus dem Smog Teherans und hinauf in die saubere Luft des Elburs-Gebirges! Wir nehmen Abschied von Malik und heißen unsere zwei Bergführer willkommen, die uns ab jetzt begleiten werden: Imad – schwarze, lange Haare, drahtige Figur – sieht aus wie ein Zwillingsbruder der Huber-Buam, bei seinem jungen Lehrling "Magic Majid" hingegen ist das Persische nicht zu übersehen. Im Gegensatz zu dem fließend English sprechenden Imad ist eine Unterhaltung mit Majid kaum möglich.
Als wir Teheran mit einem Kleinbus verlassen, kommen wir am berühmt-berüchtigten Evin-Gefängnis vorbei, wo Folter und Hinrichtungen an der Tagesordnung stehen. Ein beklemmendes Gefühl. Imad erzählt uns, dass er hier eine Woche eingesessen habe, bloß weil er an einer Demonstration teilgenommen hätte. Man habe ihm die Augen verbunden und eine Woche einfach nur dasitzen lassen. Allerdings habe er in dieser Zeit auch einen anderen ebenso jungen Mitgefangenen kennengelernt – und dessen Vater, der nur deswegen einsaß, weil er den Sohn nicht in Stich lassen wollte. Die drei verbindet seitdem eine tiefe Freundschaft.
Lange dauert es, bis wir die letzten Wohnblöcke des Stadt-Molochs hinter uns lassen und durch wüstenartige Steppen fahren. Angesichts der Trockenheit ist es kaum zu glauben, dass Persien Hochland ist und die 1000 Meter-Seehöhe nur am Kaspischen Meer unterschritten wird. Tatsächlich wird ein beträchtlicher Teil des Landes von Bergen eingenommen, die im N, im S und SW zu Meeren hin abfallen. Das Hochland besteht aus kargem Land und Wüsten mit teilweise höheren Bergketten, dazwischen gelegenen niedrigen Bergschwellen und Taleinschnitten. In solch einem Tal bleiben wir stehen und kehren in ein idyllisch an einen Fluss gelegenes Restaurant ein, wo wir es zum ersten Mal auch mit den iranischen Nationalgerichten zu tun bekommen. Kurz die übliche Speisefolge: Zu jedem Essen serviert wird iranisches Brot, ein Fladenbrot aus weißem oder dunklem Mehl. Stets dabei auch Reis, der im Iran vollständig anders zubereitet wird und auch ganz anders schmeckt als bei uns. Serviert wird der Reis mit Butter, manchmal auch mit Saucen. Hauptgerichte sind weiters Lamm-, Rind- und Hühnerfleisch, das entweder als Kebab-Spieße oder gebraten bzw. als Füllung in Auberginen oder Zucchini serviert wird. Mit dabei auch oft Joghurt (mit Knoblauch und Pfeffer) als Vorspeise oder als Getränk mit Wasser verdünnt (Dukh). Selten werden Suppen serviert. Das Essen im Iran ist leicht, bekömmlich und lecker. Selten habe ich so Unmengen gegessen wie hier – weil es nicht schwer im Magen liegt. Das Essen im Iran ist also rundwegs gesund – wie man auch an den durchwegs schlanken Menschen sieht. Seltsamer Weise besteht das Besteck nur aus Löffel und Gabel, von Messern dürfte man im Iran keine Ahnung haben. Zwar sind vor allem die Spieße auch ohne Messer zu bewältigen, aber bei größeren Happen wird’s schon schwieriger. Anzuraten ist also, ein eigenes Messer mit dabei zu haben. Was wird getrunken: Tee, Fruchtsäfte, Limonaden – kein Kaffee! Zur Esskultur gehören auch die bequemen, meist aus Holz, Teppichen und Pölstern gefertigten Pritschen, auf denen man gerne zu Tisch liegt. So gesehen wird das Essen zum Familienfest, das Schläfchen danach ist auch nicht zu verachten. Und wenn man dazu noch einen Fluss rauschen hört und an einer Wasserpfeife zieht, fühlt man sich in das Märchen aus Tausendundeiner Nacht versetzt ...

Nach 6 Stunden und 200 km Fahrzeit erreichen wir eine Landschaft, die mit ihren dichten Wäldern, rauschenden Flüssen und feucht-kaltem Klima an das Salzkammergut erinnert und uns auf Anhieb taugt. Welch ein Gegensatz zum stickig-schwitzigen Dunst Teherans! Erfrischend kühle Nebelschwaden umziehen uns, wir müssen Fleecejacken überstreifen. Rudbarak (1400 m) erinnert mit seinen Luxus-Villen und Gärten an Bad Ischl, in das sich neureiche Teheraner flüchten, zum anderen stellt der Ort auf Grund der Nähe zum Alam Kuh (4850 m) mit seiner berühmten Nordwand sozusagen das Kletterzentrum des Iran dar. Wir übernachten etwas spartanisch, aber durchaus gemütlich in einer Art Bergsteiger-Gästehaus (1520 m). Als Einschlafhilfe bewährt sich wie immer auf den Bergen der Welt der Traum von unserem nächsten Ziel …

Am Fluss
Das Leben ist ein Fest!

Tag 4

Rudbarak – Vandarbon – Plateau der Viertausender (Hesarchal, 3.800 m)

2 Stunden

Cabrio
Per iranischem "Cabrio" geht es knochenschüttelnd nach Vandarbon.

Mulis
An Geländegängigkeit ist ein Muli nicht zu schlagen ...

Fluss
Eine Brücke führt über reinen reißenden Fluss ...

 

 

 

 

 

 

 




 

essen
Zeltidylle am Plateau der Viertausender ...

zelt
Jause ...

Knochenschüttelnde, bandscheibenreibende, kreuzbrechende Anfahrt zum Fuß des Alam Kuh: Per iranischem "Cabrio", einem hinten offenen, ungefederten Kleinlaster Marke Iran-Eigenbau, geht, oder besser: rattert, klappert und holpert es über eine abenteuerliche "Straße" in ein entlegenes, stilles Tal. Einsam lebende Hirten und deren kläffenden Hunde sind die hier einzigen Lebewesen, deren wir ansichtig werden. Immer höher erheben sich hingegen die kahlen Berge, immer tiefer werden die Schlaglöcher, immer weher unsere Rücken. Die Landschaft karg, steppenartig, nur hin und wieder ein Gebüsch oder eine Baumgruppe, sonst nur Geröll und Staub. Die Straße endet in Vandarbon, das ähnlich wie "Nirgendwo" klingt, auf 2.400 m, wo selbst das geländegängigste Vehikel aufgeben und seine Aufgabe einem der geländegängigste Tiere hierzulande übertragen muss: dem Muli. Vier seiner Sorte schleppen unsere Zelte und Kochutensilien hoch, während wir langsam hinterherstapfen. Schauend und staunend durchwandern wir ein wildes, von einem rauschenden Fluss durchzogenes Tal voller grüner, satter Wiesen, Geröllhalden und Felsstufen. Stetig bergan, aber nie anstrengend gelangen wir höher, bis sich nach gut 2 Stunden ein riesiges Plateau vor uns entfaltet, das Plateau der Viertausender. Umzäunt von bis zu 4000 m hohen Giganten kommt uns diese Hochebene mit seinen Wiesen und Bächen wie eine Arena vor, in der die Natur stolz zur Schau stellt, was sie an Schönheit zu bieten hat. Weit, wild, kosmisch, monumental – nur einige der Attribute, die für diese Kulisse passen. Wer sich auf sie einlässt, wird spüren, dass von ihrer Anmut und ihrer sanften Wildheit eine beruhigende Wirkung ausgeht. Denn hier heroben, in diesem letzten und zugleich schönsten Winkel Persiens, herrscht absolute Stille, nichts lenkt ab von den reinen Formen der Landschaft.

Marsch zum Plateau der Viertausender
Schon der Marsch zum Plateau der Viertausender ist pures Wandervergnügen ...

Im Bereich der Schaf- und Ziegenweide Hesarchal (3800 m) schlagen wir unsere Zelte auf. Ein kristallklarer Bach gurgelt vorbei, über uns segeln Geier einsame Runden, am Horizont ziehen Wolken auf.

Zelt
Stilreine Formen der Berge um das Plateau ...

Bevor sie uns erreichen, stapfen wir hoch zu den großen Seen (Big Lakes) oberhalb des Plateaus, um uns für die Nacht zu akklimatisieren. Zurück servieren uns Imad und seine hübsche Frau eine dicke und nahrhafte Suppe, die uns in der aufkommenden Kälte wärmt. Ja, es wird kalt, saukalt. Vorgestern noch in der Hitze Teherans, heute bei –10° in Daunenjacken! Allein um dieses klimatische Hinundher auszuhalten, bedarf es einer guten Grundkondition. Knapp nachdem die Sonne, untermalt von einem grandiosen Farbenspiel, untergegangen ist, verkriechen wir uns in unsere Daunenschlafsäcke und dösen in die wundervolle, stille Bergnacht.

Als man mich bei meiner Rückkehr nach Hause nach meinen eindrücklichsten Erinnerungen fragte, antwortete ich, ohne viel nachzudenken: An das Plateau der Viertausender. Weil sich diese Landschaft in ihrer Sanft- und Ebenmäßigkeit tief ins Gedächtnis einprägt, weil hier – im Gegensatz zum Demawend – zumindest ein Hauch von Expeditions-Feeling aufkam, weil hier jene Beschaulichkeit und Ausgesetztheit herrscht, die man am höchsten Berg des Iran vergebens sucht.

Und weil ich hier traumhaft schlief ...

Abend
Die untergehende Sonne vervollständigt die Idylle ... die erste aus Tausendundeiner Nacht ...

Tag 5

Alam Kuh (4.850 m)

4 ½ St. Aufstieg, 3 St. Abstieg, 1100 Hm)

Zelt
Flo hat leicht lachen am Plateau der Träume ...

Aufstieg
Sanfter, flacher Beginn des Aufstiegs

Adler
Geier kreisen über uns ...

Aufstieg
Auf der Höhe des Montblancs wird die Luft dünn ...

 

 

 

 

 

 

 

 



Ankommen
Aaaah – gibt ein schöneres Platzerl als hier?

Wolkenloser Himmel. Erholtes, aber fröstelndes Erwachen. Reichhaltiges Frühstück, heißer Tee. Aufbruch um 7.30 Uhr. Bei unseren ersten Schritten kreisen einige Geier über uns, als sähen sie in uns potenzielles Futter. Zuerst flach dahin zum Aufwärmen, dann über eine steile Geröllhalde in den Marjikesh-Sattel auf 4.580 m Höhe. Das Gehen bereitet keine Probleme, im Gegenteil, auf den ebenmäßig geneigten Serpentinen findet man leicht jenen Rhythmus, den wir später auch am Demawend anwenden wollen. Links über uns liegt greifbar nahe der Gipfel des zweithöchsten Berges des Iran. Gelächter, als sich Bergführer-Lehrling Magic Majid zu frisieren beginnt und sich in eine heroisch anmutende Pose wirft, um sich so von uns fotografieren zu lassen. "First time on Alam Kuh", gesteht er freudenstrahlend, "pictures for my friends ..." Seine Freude erinnert uns daran, dass wir hier etwas Besonderes erleben, dass wir auf der Höhe des Montblanc stehen, der ungleich schwieriger zu ersteigen ist als dieser Schotterberg. Allein, wie am Montblanc wird auch hier die Luft so dünn, dass wir auf den untersten Gang schalten müssen. Nun entlang des Süd-Ausläufers des Alam Kuh unschwer, aber steil bergan, erst am Gipfelaufbau flacht der Weg ab, ehe wir nach 4,5 Stunden am Gipfel stehen. Eine Tafel mit einer arabischen Inschrift und ein beängstigender Blick in die senkrecht abfallende Nordwand markieren den zweithöchsten Punkt Persiens.

Nordwand
Die berühmte Nordwand des Alam Kuh

Von den vier Gletschern, die den Alam Kuh laut Führern umgeben sollen, ist allerdings nichts zu erkennen. Geschafft! Das erste Bergziel unserer Reise haben wir also erreicht!

Gifpel
Am Gipfel des zweithöchsten Berges des Iran und Elburs-Gebirges

Handshake, Magic Majid frisiert sich, wirft sich in heroische Pose, drückt mir sein Handy in die Hand, damit ich ihn fotografiere und er die Pics auch gleich weiterschicken kann. Sein Stolz steckt an ...
Für den Abstieg wählen wir einen anderen Weg, nämlich die sehr steile Piste über den südlich vom Gipfel herabziehenden Khersan-Gletscher, oder über das, was von ihm übrig ist: Geröll und ein paar harmlose Eis-Reste.


Abwärts über eine steile Schotterpiste

Durch die mit steilen Steinwällen umgebene Gletscherkerbe rutschen wir mehr als wir gehen, einmal nur wird’s gefährlich, als ein tellergroßer Felsbrocken haarscharf an unseren Köpfen vorbeifliegt. Von dieser Schrecksekunde an lassen wir unsere Augen nicht mehr von den Wällen, erst als der Hang verflacht und wir uns den Wiesen von Hesarchal nähern, lassen wir diesen herrlichen Tourentag genießend auslaufen. Imad erwartet uns mit Kaffee, Tee und einem köstlichen zweigängigen Abendessen. Noch einmal übernachten wir in Hesarchal, genießen eine letzte stille Nacht in dieser traumhaften Bergwelt. Nur was uns wirklich abgeht, ist ein Schluck Bier. Zu dem verhelfen uns allerdings nur Träume. Schade eigentlich, dass wir keine Zeit mehr haben für weitere Viertausender, von denen sich da mehrere sehr lecker präsentieren: der Lashgarek (4256 m) etwa oder der Gardon Kouh (4402 m), deren sanft gewellten, gutmütigen Berghänge wohl auch ein wahres Königreich für Skitourengeher darstellen! Eine ganze Woche könnte man da verbringen und eine Menge Viertausender sammeln ... Zu dem verhelfen uns allerdings nur Träume.


Alam Kuh (4.850 m)

Der Alam Kuh zwischen Teheran und dem Kaspischen Meer bildet einen Höhepunkt im Takht-e Suleyman Massif. Mit 4850 m Höhe ist er hinter dem Demawend der zweithöchste Berg des Iran. Die 800 m hohen steile Granit-Nordwand bietet einige der schwierigsten und interessantesten Kletter-Routen des Landes. Sie wurde erstmals durch die deutschen Gorter/ Steinauer im Jahre 1936 durchstiegen (Westgrat).