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Iran – Demawend

September, 2009; Text/Bilder: Thomas Rambauske

Tag 12

Shiraz: Persepolis, Mausoleen der Dichter Saadi und Hafis

Königsgräber
Die Felsgräber der größten Könige Persiens

Persepolis
Und was blieb vom einstigen Weltreich? ... Ruinen, Staub.

Persepolis
Manche kunstvollen Reliefs sind noch gut erhalten ...

Persepolis
Nur mehr erahnen lässt sich die Pracht der Paläste ...

Hafis Mausoleum
Das Mausoleum von Hafis wird gerne von Verliebten und Hochzeitspaaren besucht.

Sicher einer der beeindruckensten Tage unser Reise. Historische Größe und poetische Anmut, ein Reich für Könige und ein Reich für Liebende, die Ruinen eines Weltimperiums und die zeitlosen Worte zweier Dichter – an diesem Tag haben wir nicht nur einen Zeitensprung von über 2500 Jahren vollzogen.

Per Inlandsflug setzen wir nach Schiraz über (1 Stunde), in die Hauptstadt der zentralen Südprovinz Fars und eine der fünf größten Städte Irans. Im Volksmund wird sie die Stadt der Liebe, der Rosen und der Nachtigallen genannt, lebten doch hier die berühmtesten Dicher Persiens: Saadi und Hafis, die in ihren Werken eine Atmosphäre der Schönheit und Romantik schufen.
Die Umgebung der Stadt war schon vor mehr als 2500 Jahren das Kernland des achämenidischen Persien. Zwei mächtige altpersische Königshäuser stammen von hier: die antiken Achämeniden (559 bis 330 v. Chr.) und die Sassaniden (224 bis 651), unter denen Schiraz Städtische Größe, wirtschaftliche und politische Wichtigkeit erlangte. Kaum 4 km nördlich von Persepolis wurden in Naqsh-i Rustam in vier Felsgräbern die größten Könige Persiens begraben: Dareios, Xerxes, Artaxerxes und Dareios II. Die in senkrecht abfallende Wandfluchten hineingemeißelten Gräber lassen auf ihre einstige Größe und Macht schließen.

Auch als Ruinenlandschaft beeindruckt die ehemalige Achämeniden-Hauptstadt Persepolis. Der Name stammt aus dem Griechischen und bedeutet "Stadt der Perser". Als Metropole und Machtzentrum des größten Weltreichs aller Zeiten wurde sie 520 v. Chr. von Dareios I. gegründet.
Brütende Mittagshitze, als wir über die 15 ha große Ruinenstadt schlendern. Noch heute lassen die Überreste der Säulen, Säle und Malereien auf die unwahrscheinliche Pracht und Größe der Stadt schließen. Dass die Perser vor über 2000 Jahren auch menschliche Größe gewiesen, ist weniger bekannt. Persepolis wurde nämlich nicht von Sklaven errichtet, sondern von gut bezahlten Arbeitern und ArbeiterINNEN! Auch Gleichberechtigung war den Persern damals kein Fremdwort: Männer und Frauen wurden damals in gleichem Maße bezahlt, erzählt uns Imad. Zudem gab es eine Krankenversicherung für alle – und Karenzgeld! Eine Frau, die ein Kind bekam, wurde dafür belohnt und zum selben Lohn nach einer gewissen Karenzzeit wieder eingestellt.
200 Jahre währte Persepolis als Machtzentrum eines unglaublichen Weltreiches, dessen Grenzen von Kleinasien und Ägypten bis zum Indus reichten, ehe des 330 v. Chr. durch Alexander dem Großen zerstört wurde. Um die Schätze und Reichtümer von Persepolis abzutransportieren, benötigte Alexander sage und schreibe 3000 Kamele und 9000 (!) Mulis. Und was blieb von diesem Weltreich? Staub, ein paar Ruinen und ein skurriler Gottesstaat. Symbole der Vergänglichkeit von Macht und Reichtum.

Nach dem Fall des Persischen Reiches der Achämeniden und der Zerstörung von Persepolis übernahm Schiraz die Rolle des kulturellen Zentrums Persiens. Maßgeblich daran beteiligt sind die zwei berühmtesten Dichter Persiens: Hafis (1320 bis 1398) und Saadi (1184 bis 1282), deren anmutige Mausoleen wir abends besuchen.
Hafis' Grab in den Musalla-Gärten von Schiraz, die auch durch ihre Rosen bekannt sind, befindet sich in einem schmucken, auf acht schlanken Säulen ruhenden offenen Pavillon, genannt Hafesiejeh. Hafis' Lyrik war von solcher Vollkommenheit, dass sich sogar Goethe von ihr inspirieren ließ. Als Wallfahrtsort für unglücklich wie glücklich Verliebte zieht er auch jung verheiratete Paare an, die dort vom Schutzpatron der Liebenden Segen und Schutz erbitten. Insofern ist dieser Ort einer der Innewerdung, der Beschaulichkeit und der Liebe. Augenblicke der Sammlung nach tagelanger Hast. Das tut gut. Am, in buntes Licht getauchten Grabmal geht es leise und andächtig zu. Vor allem junge Menschen schlendern herum oder sitzen auf den Stufen. Lange beobachte ich einen jungen Mann, der am steinernen Sarkophag hockt und in einem Buch liest, einem Buch von Hafis.

Hafis

Vielleicht hat er folgendes gelesen:

Das Herz ist deiner Liebe Königszelt,
Das Auge dir zum Spiegel aufgestellt.

Der Bürde deiner Gnaden beuget sich
Dies Haupt, das sich nicht beugt vor aller Welt.

Der Paradiesbaum jenem, mir dein Wuchs!
Da jeder Sinn sein eignes Maß enthält.

Doch was soll ich in diesem Heiligtum,
Wo nur mit Scheu der Ost den Vorhang hält!

Was ist's auch, wenn ich der Befleckte bin?
Denn deine Reinheit strahlt vor aller Welt.

Einst war Madschnun, nun bin ich an der Reih',
Und jeder steht hier seinen Tag im Feld.

Der Liebe Königsmacht, der Freuden Schatz,
Durch Deine Huld ist all dies mir bestellt.

Heil dir, und meinen Zweck hab ich erreicht,
Wenn Herz und Leben dir zum Opfer fällt.

Nie sei von deinem Bild mein Auge leer!
Nur ihm zum Wohngemach ist es erhellt.

Die junge Ros' im Garten duftet nur,
Weil ihrem Odem war dein Haupt gesellt.

Sieh nicht Hafisens äußre Armut an!
Sein Innres birgt der Liebe gutes Geld.

VogelSaadi war der volkstümlichste Dichter seines Landes und erhielt ebenfalls ein vielbesuchtes Mausoleum in einem der Gärten von Schiraz. Saadi hinterließ eine große Menge literarischer und poetischer Schriften, die heute noch Geltung haben, darunter "Bostan" (Obstgarten) und "Golestan" (Rosengarten).

Vor dem Mausoleum verkaufen zwei Männer Verse von Hafis. Aber sie überlassen es dem Zufall oder besser zwei Wellensittichen, welche Worte einem das Schicksal hören lassen will. Auf Kommando ziehen die zwei Vögel aus einem Fächer von Vers-Karten DIE bestimmte. Mir hat er folgendes Gedicht gezogen:

Als Adams Nachfahr'n sind wir  e i n e s  Stammes Glieder.
Der Mensch schlägt in der Schöpfung als Juwel sich nieder.
Falls Macht des Schicksals ein Organ zum Leiden führt,
sind alle andern von dem Leid nicht unberührt.
Wenn niemals Du in Sorge um den andern brennst,
verdienst Du nicht, dass Du Dich einen Menschen nennst.

Diese bezaubernden Zeilen rühren im Innersten, und sie lassen einen kleinen Teil des iranischen Herzens spüren, eines sehr poetischen, nach Harmonie strebenden.