Die Route nach der Erzählung "In der Christnacht"
Wer sich traut und den Weg bereits vom Sommer her kennt, sollte es Rosegger gleichtun und bei Dämmerung von seinem Geburtshaus starten. Das Auto wird bei der Waldschule geparkt. In acht Kehren und einer halben Stunde Gehzeit führt eine breite Forststraße zum Klupeneggerhof, dem Geburtshaus Peter Roseggers, hinauf. Für Kurzweiligkeit sorgen hier – vor allem Kinder – Wegestationen, die die Geheimnisse des Waldes auf spielerische Art erklären wie ein "Dendrafon" (verschiedenen Hölzern werden mit einem Stab Klänge entlockt), ein Baumtelefon, ein Baum zum Balancieren etwa. Beim idyllisch auf einem Hügel thronenden Geburtshaus angekommen, eröffnet sich ein hübscher Blick über die Waldhügel der Fischbacher Alpen – verständlich, dass hier der kleine Peter Rosegger seine Liebe zu seiner "Waldheimat" entdeckt hat. Wer Zeit hat, besucht das Museum im Geburtshaus und bekommt einen Einblick in das karge Bergbauernleben der Jahrhundertwende.
In seiner Erzählung "In der Christnacht" aus dem berühmten Buch "Als ich noch der Waldbauernbub war" schildert Rosegger seinen ersten Gang am Heiligen Abend zur Christmette.
Er ist mit den Knechten und Mägden unterwegs, wobei sich der kleine Rosegger an den "Großknecht" hält.
Gegen neun Uhr abends brechen sie auf und "zündeten am Kerzenlicht eine Spanlunte an". Ich zünde keine Fackel, drehe wohl aber meine Stirnlampe auf, während die Sonne ihren letzten blassorangen Lichtstrahl auf Roseggers Geburtshaus wirft. Der Schnee liegt fast einen halben Meter hoch, so wie es sich eben für Weihnachten hier gehört. Selten nur Spuren und wenn, dann von den tierischen Bewohnern hier; Äste und Zweige biegen sich unter der weißen Last, es riecht nach Winter, nach Roseggers Welt, nach Weihnachten. Im gleich anschließenden Wald wirft die Stirnlampe einen weißen Kreis in den Schnee.
Es war sehr finster, und die Lunte, welche der Stallknecht vorantrug, warf ihr rotes Licht in einer großen Scheibe auf den Schnee und auf den Zaun und auf die Steinhaufen und Bäume, an denen wir vorüberkamen. Mir kam dieses rote Leuchten, das zudem noch durch die großen Schatten unserer Körper unterbrochen war, grauenhaft vor, und ich hielt mich sehr ängstlich an den Großknecht, so daß dieser einmal sagte: "Aber hörst, meine Joppe mußt du mir lassen, was tät ich denn, wenn du mir sie abrissest?"
Zu Beginn geht es auf schmalem Weg am Waldrand entlang leicht bergab. Immer wieder werden Lichtungen passiert, die einen Blick über die blassblau getünchte Landschaft gewährt. Es ist kalt, der Atem bildet kleine Wolken.
Der Pfad war eine Zeitlang sehr schmal, so daß wir hintereinander gehen mußten, wobei ich nur froh war, daß ich nicht der letzte war, denn ich bildete mir ein, daß dieser unendlichen Gefahren wegen der Gespenster ausgesetzt sein müsse. Eine schneidende Luft ging, und die glimmenden Splitter der Lunte flogen weithin, und selbst als sie auf die harte Schneekruste fielen, glommen sie noch eine Weile fort.
An neuralgischen Wegkreuzungen verweisen Schilder auf den richtigen Weg. Vorbei am Gehöft Schmiedhofer einem rauschenden Bach entlang hinunter zum so genannten Lentkreuz mit Marterl und einem Zitat Roseggers: "Wie ist doch die Welt so schön, und wie ist der Weg so steinig".
Wir waren bisher über die Blößen und durch Gesträuch und Wälder abwärts gegangen, jetzt kamen wir zu einem Bach, den ich sehr gut kannte, er floß durch die Wiese, auf welcher wir im Sommer das Heu machten. Im Sommer rauschte dieser Bach sehr, aber heute hörte man ihn nur murmeln und gurgeln, weil er überfroren war. Auch an einer Mühle kamen wir vorüber, an welcher ich gar heftig erschrak, weil einige Funken auf das Dach flogen; aber auf dem Dach lag Schnee, und die Funken erloschen. Als wir eine Weile durch das Tal gegangen waren, verließen wir den Bach, und der Weg führte aufwärts durch einen finsteren Wald, in welchem der Schnee sehr seicht lag und keine so feste Kruste hatte wie auf den Blößen.
Beim Lentkreuz scharf nach rechts dem Wegweiser "St. Kathrein" nach. In einem etwas anstrengenderen Gegenanstieg zum Ziesler Anger, einer großen Weide, hinauf. Hier heißt es aufpassen, da im Winter keine weiterführenden Markierungen oder Spuren zu erkennen sind. Quer über die Wiese in gerader Linie weiter und zum Gehöft Hochegger (hier wieder Wegweiser) und eine breite Zufahrtsstraße hinunter.
Endlich kamen wir zu einer breiten Straße, wo wir nebeneinander gehen konnten und wo wir dann und wann ein Schlittengeschelle hörten. Dem Stallknecht war die Lunte bereits bis zu der Hand herabgebrannt, und er zündete nun eine neue an, die er vorrätig hatte. Auf der Straße sah man nun auch mehrere andere Lichter, große rote Fackeln, die heranloderten, als schwämmen sie in der schwarzen Luft, und hinter denen nach und nach ein Gesicht und mehrere Gesichter auftauchten, von Kirchengehern, die sich nun auch zu uns gesellten. Und wir sahen Lichter von anderen Bergen und Höhen, die noch so weit entfernt waren, daß wir nicht erkennen konnten, ob sie standen oder sich bewegten.
Nun gemütlich auf meist gespurter Straße und dem Hirschbach entlang gen St. Kathrein. Nur der Mond und ein paar Sterne leuchten den Weg, sonst nur Stille.
Als wir eine lange Weile auf der Straße fortgegangen und an einzelnen Bäumen und an Häusern vorüber und dann wieder über Felder und durch einen Wald gekommen waren, hörte ich auf den Baumwipfeln plötzlich ein leises Klingen. Als ich horchen wollte, hörte ich es nicht, aber bald darauf hörte ich es wieder und deutlicher als das erstemal. Es war der Ton des kleinen Glöckleins vom Turm der Kirche. Die Lichter, die wir nun auf den Bergen und im Tal sahen, wurden immer häufiger, und nun merkten wir es auch, daß sie alle der Kirche zueilten. Auch die kleinen, ruhigen Sterne der Laternen schwebten heran, und auf der Straße wurde es immer lebhafter. Das kleine Glöcklein wurde durch ein größeres abgelöst, und das läutete so lange, bis wir fast nahe zur Kirche kamen. - Also war es doch wahr, wie die Ahne gesagt hatte: Um Mitternacht fangen die Glocken zu läuten an und läuten so lange, bis aus den fernen Tälern der letzte Bewohner der Hütten zur Kirche kommt.
Nach fast zweieinhalb Stunden Schneestapfen erreicht man St. Kathrein am Hauenstein, das noch immer so idyllisch im Talkessel liegt wie ehedem. Peter Roseggers gelborange beleuchtete Lieblingskirche ...
... steht auf einem mit Birken und Tannen bewachsenen Hügel, und um sie liegt der kleine Friedhof, welcher mit einer niederen Mauer umgeben ist. Die wenigen Häuser stehen im Tal.
Als die Leute an die Kirche gekommen waren, steckten sie ihre Lunten umgekehrt in den Schnee, daß sie erloschen, nur eine wurde zwischen zwei Steine der Friedhofsmauer geklemmt und brennen gelassen.
Jetzt klang auf dem Turm in langsamem, gleichmäßigem Wiegen schon die große Glocke. Aus den schmalen, hohen Kirchenfenstern fiel heller Schein. Ich wollte in die Kirche, aber der Großknecht sagte, es habe noch Zeit, und blieb stehen und sprach und lachte mit anderen Burschen und stopfte sich eine Pfeife an. Endlich klangen alle Glocken zusammen, in der Kirche begann die Orgel zu tönen, und nun gingen wir hinein.
Heute flankieren Laternen mit Kerzen den Stiegenaufgang. Sie sollen wohl jenen Fackelzug nachempfinden, der zu Roseggers Zeiten an jedem Heiligen Abend aus den Bergen ringsum zur Kirche strömte. Die Kirche finden wir leider verschlossen vor, weswegen wir nur ahnen – und nachlesen – können, wie der kleine Junge die Christmette empfand:
Das sah ganz anders aus als an den Sonntagen. Die Lichter, die auf dem Altar brannten, waren hellweiße, funkelnde Sterne, und der vergoldete Tabernakel strahlte gar herrlich zurück. Die Ampel des Ewigen Lichtes war rot. Der obere Raum der Kirche war so dunkel, daß man die schönen Verzierungen des Schiffes nicht sehen konnte. Die dunklen Gestalten der Menschen saßen in den Stühlen oder standen neben denselben; die Weiber waren sehr in Tücher eingeschlagen und husteten. Viele hatten Kerzen vor sich brennen und sangen aus ihren Büchern mit, als auf dem Chor das Tedeum ertönte.
Die Messe mit ihrer andächtigen Stimmung, dem Gesang, dem Kerzenspiel beeindrucken Peter Rosegger:
Tief nahm ich sie auf in meine Seele, die wunderbare Herrlichkeit der Christnacht, aber ich jauchzte nicht auf vor Entzücken, ich blieb ernst, ruhig, ich fühlte die Weihe. Und während die Musik tönte, dachte ich an Vater und Mutter und Großmutter daheim. Sie kien jetzt m den Tisch bei dem einzigen Kerzenlichtlein und beten, oder sie schlafen, und es ist finster in der Stube, und nur die Uhr geht, und es liegt tiefe Ruhe über den waldigen Bergen, und die Christnacht ist ausgebreitet über die ganze Welt.
© Vasyl Dudenko
Lange nach Mitternacht endet das Hochamt.
Als wir in das Freie kamen, war es trotz des dichten Nebels, der sich von den Bergen niedergesenkt hatte, nicht mehr ganz so finster wie vor Mitternacht. Es mußte der Mond aufgegangen sein; man zündete keine Fackeln mehr an. Es schlug ein Uhr, aber der Schulmeister läutete schon die Betglocke zum Christmorgen.
Auf dem Rückweg verliert der kleine Peter den Kontakt zum Großknecht und findet sich plötzlich alleine mitten im Wald. Er verrirrt sich, versinkt im Schnee, fällt. Knapp am Erfrieren wird er vom sog. "Mooswaberl", einer alten Bettlerin, gefunden und den Eltern übergeben. Happy End einer legendären Weihnachtsgeschichte.
Alpl/Waldschule (980 m) – Roseggers Geburtshaus (1144 m)– St. Kathrein am Hauenstein (820 m)
HU 300 m ca.
400 m, GZ 2 ½ Stunden |