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Granitpilgern im Oberen Mühlviertel

Pilgerwanderung, Oberes Mühlviertel, 2020; Text/Bilder: © Thomas Rambauske

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Tag 2: Neufelden – Haslach

Entlang der Großen Mühl
An diesem Tag gilt es, sich die Kräfte gut einzuteilen – sind doch fast 35 Kilometer zurückzulegen. Ein Besuch der an Baustilen unMühlstauseed Besonderheiten reichen Pfarrkirche von Neufelden bildet den Auftakt eines ereignisreichen Tages. Neufelden verlassen wir über die alte Marktstraße an manch schönen Renaissance-Häusern vorbei und steigen zum Ufer der hier aufgestauten Großen Mühl hinunter. Auf bayrischem Gebiet in der Nähe des Dreisesselberges entspringend, fließt dieser Fluss etwa 70 km bis in die Donau bei Untermühl. Angelegt wurde der Stausee in den Jahren 1919 bis 1924. Ihn wandern wir nun entlang. Leider auf der Straße, aber doch nahe am Ufer des glasklaren Gewässers promenieren wir lange dahin, beobachten Forellenfischer, die auf Beute warten und können an manch idyllischen Halbinseln stehenbleiben, um das Bild des ruhig dahinziehenden Stroms zu verinnerlichen.
Nach rund einer Stunde passieren wir den sagenumwobenenen Teufelstein. Nur kurz darauf zweigen wir nach links zur Wallfahrtskirche Maria Pötsch ab. Ein Kreuzweg führt zum malerisch im Feuchtenbachtal gelegenen Pilgerziel. Errichtet wurde die Kirche im Jahre 1849 von einer gottesfürchtigen Bäuerin, die bei der Feldarbeit ein Marienbild aus Seide gefunden hatte. 1873 wurde die Andachtsstätte zur heutigen Größe ausgebaut. Das Seidenbild wurde berühmt, nachdem man mehrmals beobachtet haben will, dass die darauf abgebildete Maria Tränen weint. Das Original der "Weinenden Maria" hängt heute im Wiener Stephansdom. Vor der Kapelle entspringt übrigens eine Quelle, der man seit jeher eine wundertätige Heilkraft zumisst.

St. Anna Steinbruch
Zurück ans Ufer der Mühl und weiter zum Wasserkraftwerk Pürnstein. Hier verlassen wir das Mühltal und wandern aufwärts, wobei immer auch ein Blick auf die Burg Pürnstein frei wird. Sie wurde bereits 1010 urkundlich erwähnt und gehörte seit dem 13. Jahrhundert als Grenzfeste zum Fürstentum des Hochstiftes Passau. Zur Zeit (2020) wird sie renoviert, weswegen sie auch nicht betreten werden kann. Sobald wir danach die Straße nach links verlassen, betreten wir wieder offene, weite Feldlandschaft, über die zu wandern reine Freude bedeutet. Der Höhenweg führt zunächst am Roten Kreuz Pürnstein vorbei – einem netten, schattigen Rastplatz. Das am Kreuz angebrachte Bild zeigt die Märtyrer Johannes und Paul. Sitzt man auf der Bank, darf der Blick über das Obere Mühlviertel hinweg bis zum Böhmerwald schweifen.

Rastplatz Rotes Kreuz
Beim Roten Kreuz Pürnstein lässt es sich nett rasten ...

Weiter am Höhenweg, früher eigentlich ein alter Kirchenweg, der zur Kirche St. Anna Steinbruch führt (ca. 200 m abseits des Weges gelegen). Das zwischsen 1509 und 1514 errichtete Gotteshaus ist der Mutter Mariens geweiht und beherbergt eines der ältesten Kreuzwege Österreichs aus dem Jahr 1515. Nun wieder ein Stück zurück und mit wunderschöner Rundumsicht über ein gewelltes Feld- und Wiesenmeer. Der Weitblick wird durch zauberhafte Nahblicke auf Marterln, Kapellchen und Blumen am Weg abgelöst. So lässt es sich mit Wonne pilgern.

Granitpilgern
Nach St. Anna Steinbruch geht es über Wiesen und Felder ins Bairachtal hinunter.

Barfuß
Bei der Bairachmühle haben wir das Bairachbachtal erreicht, durch das wir eine Zeit lang wandern und uns im Schatten des Waldes erfrischen können. Nach der Bergwertung auf den "Kraftbühel" Winkler bei St. Ulrich wird's wieder erlebnisreich und spannend! Dann heißt es nämlich: Schuhe und Socken ausziehen und am Barfußweg weitermarschieren! Aber ja! Nur zu! Auf diesem 2,3 km langen Rundkurs sind 22 Stationen zu absolvieren, darunter etliche "Fühlstrecken", wo es die Fußsohlen mit unterschiedlichen Materialien zu tun bekommen. Daneben bereiten Erlebnisstationen wie Wassertretmöglichkeiten, Kletterwände, Schaukeln, eine Riesenhängematte, Rutsche und ein Balancierbalken eine willkommene Abwechslung und Auflockerung für die müde werdenden Wadenmuskeln. Wer seine Energiereservoire auffüllen will, kehrt in Lang's Gasthaus ein. Weiter durch Felder und Wald in ein Tal (Hengstschlag) hinunter und auf der anderen Seite wieder hinauf. Über eine malerischeHochebene gelangen wir zur Großen Kapelle König. An diesem von einer riesigen Linde bewachten Andachtsort befindet sich ein alter bäuerlicher Hausaltar, der Platz für die Verehrung der Gottesmutter bietet.

St. Peter
Weiter über Felder nach St. Peter am Wimberg, wo man ausgiebig rasten sollte, da noch 15 Kilometer Marsch vor uns liegen. Wer diese Rast meditativ gestalten will, setzt sich in die Kirche, die mit einem romanischen Baurest und einem gotischen Kern aus dem 15. Jahrhundert aufwartet. Besonders interessant sind der Wechselalter und der Sebastiansaltar. Wem diese zweite Etappe zu lang ist, könnte hier auch übernachten und am nächsten Tag nach Haslach weitermarschieren. Nach St. Peter geht es in derselben Tonart wie vorhin weiter, wobei der Panoramablick nun sogar bis zum Dachstein, zum Großen und Kleinen Priel sowie zum Warscheneck im Toten Gebirge reicht. Es lohnt sich aber auch immer wieder zurückzuschauen nach St. Peter, deren Kirche uns lange nachwinkt. Nach mehreren Stunden in der Sonne geht es in ein schattiges Tal hinunter und auf der anderen Seite des Baches wieder hinauf.

Bergwertungen
Im Schleichgang geht es nun auf den Lüftnerberg (751 m), einen der höchsten Punkte der gesamten Wanderung. Am Weg dahin die lt. Überlieferung Simbrunnenquelleheilsame Simbrunnenquelle, eine von ehemals sieben (mühlviertlerisch "sim") Quellen am Lüftnerberg. Ein Stück weiter erreichen wir den Felsen des Predigtstuhls im Gipfelbereich des Berges. Die Etappe gestaltet sich bislang sehr abwechslungsreich. Dazu tragen auch die sog. Gattersteine bei, denen wir zwischen St. Peter und Helfenberg häufig begegnen. Diese Lochsteine dienten einst der Befestigung von Drehgattern und markierten im Frühmittelalter Grenzen zwischen den Gebieten unterschiedlicher Eigentümer. Als nächstes gilt es, den Hollerberg zu besteigen, wobei wir auch am Wallfahrtskirchlein Maria Raststein vorbeikommen. Die gotische Georgskirche aus dem 15. Jahrhundert liegt etwas abseits (+ 15 min.), ist aber ob ihrer zierlichen goldenen Altäre aus dem Jahr 1730 durchaus besichtigenswert.

Leben wie früher
Auf einer Bergterasse der Gemeinde Auberg schon die nächste Sehenswürdigkeit: der Denkmalhof Unterkagerer, ein über 300 Jahre alter Vierseit- und Einschichthof, den man bis heute erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat. Die uralten Räume gewähren einen authentischen Einblick in die Bau- und Lebensweise von anno dazumal – ein wichtiger Beitrag für das Verständnis der Natur- und Kulturlandschaft des Mühlviertels. Danach steigen wir durch Wald ins Saxenhoferbachtal hinunter und gelangen kurz darauf ans Ufer der Großen Mühl. Wie wir an deren Ufer den Tag begonnen haben, beenden wir ihn dort auch. Eine sehr schöne Uferpromenade führt uns bis Haslach am Zusammenfluss der Großen und Steinernen Mühl.

Granitpilgern

Webermarkt Haslach
Haslach zählt seit dem 16. Jahrhundert zu den "Webermärkten" Österreichs, wo die Leinenerzeugung einst und heute das Leben bestimmt. In Betrieb sind noch drei Webereien. Ein Webereimuseum im "Textilen Zentrum Haslach" eröffnet einen umfassenden Einblick in den Weber-Alltag anno dazumal. Dem nicht genug beeindruckt eine mächtige, rechteckig angelegte Befestigungsanlage mit einer Ringmauer und zwei Rundtürmen. Auch der freistehende Kirchturm gehörte mit bis zu zwei Meter dicken Mauern zur Befestigung der Gemeinde. Die Kirche gilt heute als der größte und bedeutendste spätgotische Bau im Oberen Mühlviertel. Wer also noch Kraft in den Beinen hat, sollte sich die Stadt ansehen oder den Rundgang auf morgen verschieben.

Kirche St. Anna in Steinbruch
Die Kirche wurde in den Jahren 1509–1514 im Stil der spätesten Gotik erbaut. Einen Besuch wert sind nicht nur die gotische Votivgruppe am Hochaltar und die 12 Kreuzwegreliefs aus Marmor, sondern auch die prachtvolle barocke Innenausstattung und die Orgel. Der Musiksommer mit zahlreichen Orgelkonzerten in der Kirche St. Anna ist ein kultureller Höhepunkt in Neufelden.
www.muehlviertel.at

Denkmalhof Unterkagerer
Der Denkmalhof Unterkagerer ist ein uralter Vierseit- und Einschichthof, den man bis heute erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat. Der Hof gewährt mit seinen uralten Räumen einen Einblick in die Bau- und Lebensweise vor mehr als 300 Jahren und macht das Alltagsleben unserer Vorfahren begreifbar. Neben Führungen werden ein umfangreiches Kulturprogramm, aber auch Veranstaltungen zur Pflege von Brauchtum und altem bäuerlichem Handwerk angeboten.
www.unterkagererhof.at


Haslach

Für die Besichtigung Haslachs sollte man sich viel Zeit nehmen.Haslach
Der "Webermarkt" wurde erstmals im Jahr 1217 in der Chronik von Passau erwähnt. Der Anbau von Flachs ließ in Haslach die Hausweberei erblühen. Mit der Errichtung einer modernen Textilfabrik im Jahre 1833 entwickelte sich ein reger Handel mit Leinen, Schaf- und Baumwollstoffen und später auch mit Seide und edlen Piquet-Westenstoffen. Der Gebäudekomplex der einstigen Textilfabrik – 8000 m² auf in den Felsen gebauten acht Ebenen – ist noch heute Wahrzeichen des Webermarktes. Zu den weiteren Sehenswürdigkeiten Haslachs zählen der Alte Turm und die Ringmauer, die spätgotische Wehrkirche und das Textile Zentrum Haslach mit seinen historischen Musterbücher, dem Färbergarten und dem Webereimuseum.
haslach-erleben.at/

Route:
Neufelden – Stausee Große Mühl – Wallfahrtskirche Maria Pötsch – Wasserkraftwerk Pürnstein – St. Anna Steinbruch – Kraftbühel Winkler (Barfußweg) – St. Peter am Wimberg – Lüftnerberg (751 m, Simbrunnenquelle, Predigtstuhl) – Hollerberg – Maria Raststein – Auberg – Denkmalhof Unterkagerer – Haslach
Wegzeit:
11 Stunden
Gesamthöhenmeter:
Pfeil up Pfeil down 600 Hm
Gesamtlänge (in Kilometern):
ca. 34
Schwierigkeiten/Anforderungen:
Sehr lange Tageswanderung für Trainierte, die über genug Kondition verfügen. Vorschlag: Wem diese Etappe zu lang ist, teilt sie in zwei Teile und übernachtet etwa in St. Peter.
Ausrüstung:
Buchtipp:
Christian Huber: Granitpilgern – Wegbegleiter im Oberen Mühlviertel, Verlag Pustet 2020
Christian Huber und der Fotograf Andreas Balon stellen dreißig Stationen entlang des Weges vor. Sie zeigen die alte Sakrallandschaft der Mühlviertler Granitbildstöcke, Kapellen und Kirchen.
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