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Vordere Tormäuer, Nestelberg, Molterkogel, Trefflingfall
Die Stimmen der Erlauf

Die Stimmen der Erlauf

Mai 2009

Reportage/Bilder: Thomas Rambauske

Intro

Wer dem Ötscher genau zuhört, wird eine ganz besondere Hintergrundmusik vernehmen. Das Rauschen der Erlauf, das freundliche Timbre der Wirtsleute, die Melodie des Waldes – der Ötscher spricht mit vielen Stimmen, die aber nur versteht, wer sich auf sie einlässt.

Stille. Nur das leise nachhallende "Klick-Klick" eines fallenden Tropfens. Um ihn herum dunkles Schweigen. Wir sind in einer Welt, in die nie eine andere Stimme gedrungen ist Höhleals jene dieses Tropfens. Eine Welt der ewigen Dunkelheit. Wer sich auf eine Expedition durch die 575 m lange Ötscher Tropfsteinhöhle begibt, glaubt sich in eine andere Zeit, in ein anderes Universum versetzt. Hoher Dom, Halle der feurigen Zungen, Märchenhalle, Zaubergang heißen jene Gesteinsformationen, an denen die Natur zu vollendeter Kunstfertigkeit ausholen durfte. Wir flüstern, als befänden wir uns an einem heiligen Ort, tasten uns weiter vor, lassen die Lichtkegel unserer Stirnlampen über die Artefakte des Wassers tanzen – Stalaktiten und Stalagmiten, die auf Grund ihrer Form Namen wie Madonna, Elefantenohr, Pagode, Pilz oder Flamingo tragen. Als wir wieder das warme Tageslicht betreten, wissen wir, dass sich der Lärm unserer Welt schäbig anhört im Vergleich zur Stimme des Tropfens.

Das Konzert der Erlauf

Wir haben eine der Stimmen des Ötscher vernommen, eine leise zwar, aber eine der wichtigsten hier im Grand Canyon des Vaterberges, wie man den Ötscher hierzulande liebevoll nennt. Denn jeder der einzelnen Tropfen wird am Ende die Note eines gewaltigen, millionenstimmigen Konzerts ergeben: das der Erlauf. Aber langsam. Noch sind wir unterwegs zur Schindlhütte, wo wir unsere Suche nach dem Soundtrack dieser Landschaft auch begonnen haben. Der Gasthof liegt, bequem mit Auto oder Bus erreichbar, direkt an der Zufahrtsstraße zu den Vorderen Tormäuern, jener Riesenschlucht am Fuß des Ötschers, die das Kernstück des Naturparks Ötscher-Tormäuer ausmacht.

Schindlhütte

Mit der Nachfreude über das Erlebte und der Vorfreude auf das Kommende lässt es sich hier vorzüglich jausnen – und einer anderen Ötscher-Stimme lauschen, der der Erlauf, die hier gemächlich dahinfließt und außer einem verhaltenen Rauschen kaum etwas von sich verlauten lässt.
Nun entweder zu Fuß in 20 Minuten oder per Auto zum Eibenboden, dem Eingangstor in den großen, felsigen Ötscher-Graben.
Die schroffen Felsabstürze und Gesteinsverwerfungen der Vorderen Tormäuer verstärken die Musik des Flusses wie ein riesiger Resonanzkörper, und wer genau hinhört, wird erkennen, dass sich in das scheinbar rhythmische Klangspiel hin und wieder ein Gluckern ERlaufoder ein Poltern mischt, wenn das Wasser über Felsblöcke bricht.
Wie ein vom Wind bewegter Wasservorhang fällt der Hundsbach Fall am gegenüber liegenden Ufer über eine Steilwand in den Fluss. Besonders im Frühjahr und nach stärkeren Regenfällen mäandert der Fluss eindrucksvoll durch die Schlucht. Ja, sie macht staunen, jene wild-romantische Canyon-Landschaft mit ihren schäumenden Wassern, einladenden Badebuchten und steil aufragenden Wänden. Romantisch führt der Steig am Ufer entlang, duckt sich unter Überhängen hindurch oder begleitet hautnah den kristallklare, smaragdgrüne Erlauf. Der Lärm des Wassers schwillt an, wird zum Tosen, sobald man sich dem Trefflingfall nähert, der sich in sprühenden, weiß schäumenden Kaskaden in die Tiefe stürzt. Wieder einen anderen Klang bekommt der Fluss, wenn wir uns durch das Toreck, die engste Schlucht der Tormäuer, hindurchducken. Die senkrechten Wände werfen die verschiedenen Stimmen durcheinander, das eine Echo verwirbelt sich mit dem anderen – eine ohrenbetäubende Kakophonie!

Die Musik des Waldes

KleeAuf dem "Kirchensteg" übersetzen wir die Erlauf und können nun zwischen zwei Varianten wählen: Entweder wir folgen der Erlauf zu einem wunderschönen Talkessel, in den die düstere Ötscher-Nordwand hineinlugt, zur sagenumwobenen, ausgehöhlten Felsturm der Teufelskirche und über die sog. "Panoramastraße" zum Gasthof Alte Schule in Trübenbach (Parkplatz, 1 Stunde), wo es sich vorzüglich speisen lässt. Oder aber wir steigen langsam höher dem Weiler Nestelberg entgegen, dem einsamsten Ort des Ötschergebietes. Ihn nehmen wir uns als Ziel. Lange noch klingt der Fluss nach, bis seine Musik langsam verebbt und einer anderen Platz macht: Der des Waldes, der Bäume, der Wiesen. Auch dieses Medley an Vogelgezwitscher, Wipfelgerausche und Gezirpe gehört zum Ötscher wie der Wind, der um den Rauen Kamm und seinen Gipfel heult. Sobald sich der Wald in eine Schmetterlingswiese öffnet, sind wir schon am höchsten Punkt der Wanderung, dem Weiler Nestelberg mit seiner kleinen, aber feinen Jausenstation "Zur Nestelberger Rast". Nestelberger RastFestungartig schmiegen sich alte Häuser um den Dorfmittelpunkt, als wollten sie sich gegen die Außenwelt schützen. Tatsächlich schottete sich die Dorfgemeinschaft des 17./18. Jahrhunderts von der Außenwelt weitgehend ab. Die Chefin der Jausenstation selbst und vielleicht die letzte Vertreterin dieser alten Zeit, Frau Gross, bedient mich in einem idyllischen Gastgarten. Sie sei zwar schon in Pension gegangen, mache hier aber trotzdem weiter, denn: "Wenn i aufhör', stirbt Nestelberg", seufzt sie mit warmherziger, freundlicher Stimme – wie übrigens alle Wirte hier. Das Timbre der Ötscher-Wirte verrät Freude an der Arbeit, Freude über jeden Gast, Freude am Leben. Frau Gross drückt mir einen rührigen Naturführer über die Kostbarkeiten der Umgebung in die Hand – die Maturaarbeit ihrer Tochter. Über die „Weide“, das „Wasser“, die „Waldlichtung“, die „Quelle“ oder den „Wald“ ist hier zu lesen, auf Wunsch führt die Tochter auch zu den einzelnen Stationen und erklärt die dortigen Geheimnisse. Der Folder strahlt eine herzenstiefe Liebe zum Nestelberg und seinen kleinen Naturschätzen aus, genauso wie Frau Gross' Augen vor Stolz glänzen, als sie mir ihr Gasthaus zeigt. „Dieses Haus war einst ein ehemaliger Meierhof der Kartause Gaming, das von uns selbst zu einem Gasthaus umgebaut wurde“, erzählt sie mir und führt mich eine liebevoll hergerichtete Gaststube mit alten Rundbögen und prachtvollen Holzdecken. „Früher, als Nestelberg noch eine Holzfällersiedlung war, war hier noch eine Kirche, und ein Rathaus und sogar eine Schule. Heute sind wir nur noch fünf Einwohner.“ Leider sei es sehr ruhig geworden, ihre Stammkunden, vor allem Pensionisten "san ma alle wegg'storb'n", jetzt stehe Nestelberg unter der Woche leer, am Wochenende kämen zwar welche, die ziehen aber gleich weiter oder setzen sich in ihren Garten und essen ihre eigenen Sachen. „Des dürfen s' bei mir! Weil die Leut' auch sparen müssen. Wenn ich des zulass', kommen die Leut' auch wieder, weil s' wiss'n, dass i net kleinlich bin.“ Angesteckt von der Freundlichkeit der jung gebliebenen Wirtsfrau marschieren wir weiter über die blühende, von Grillengezirp untermalte Brennwiese und den schmalen „Kassteig“ durch steilen Hangwald in den Nestelberggraben hinab, wo uns die Stimme eines Baches entgegenschallt. Er klingt nicht wie die gewaltigere Erlauf, seine Melodie ist sanfter, verspielter, also ihm nach auf einer Forststraße steilen Felswänden entlang, an denen die "Soachabachfälle" entspringen, zum Ausgangspunkt Eibenboden.

Der Lockruf des Trefflingbachs

Trefflingtaler HausWer auf andere Weise in die Vorderen Tormäuer gelangen will, folgt einfach dem Trefflingbach. Den Rucksack geschultert beim Gasthof Trefflingtalerhaus. Aber Halt! Nicht ehe man eine der hausgemachten Mehlspeisen verkostet hat! Prädikat „absoluter Höchstgenuss!“ Am Spielplatz tollen indes Kinder, deren vergnügtes Lachen ebenfalls zur Hintergrundmusik des Ötscher gehört. Denn das Ötscherland ist Kinderland. Wo sonst lässt sich das Abenteuer Wasser, Felsen und Höhle so nah und Trefflingfallursprünglich erleben wir hier? Das Tremolo des Trefflingbachs klingt wie ein Lockruf, also ihm nach! Nach wenigen Minuten fällt der Weg in die Tiefe. Das Rauschen gerät zum Tosen, ausgelassen beginnt der Bach zu spielen, sich in sprühenden Kaskaden in die Tiefe zu werfen, durch Kolke und Kessel zu tanzen, in Felswannen herumzuwirbeln und sich am Ende übermütig in die Fluten der ruhigen Erlauf zu stürzen. Metallstege und Brücken führen sicher durch diesen Nebenarm des Grand Canyons, manchmal kommt man dem Trefflingfall so nahe, dass uns leichter Sprühregen das Gesicht streichelt oder wir sogar hinter die herabströmenden Wassergardinen kriechen können, um uns vom ohrenbetäubenden Rauschen im wahrsten Sinne des Worte be-rauschen lassen können. Sobald der quirrlinge Treffling Bach auf die ruhige Erlauf trifft, hat man mit dem Toreck die Talsohle der Vorderen Tormäuer erreicht.

Der Soundtrack des Ötscherlandes

Der Grundton des Ötscher- und Mariazeller Landes ist nur hin und wieder zu vernehmen: Das Pfeifen der Mariazeller Bahn. Mit ihr zu fahren ist ein Erlebnis sondergleichen, also steigen wir ein und lassen uns durch Naturjuwele des Ötscher- und Mariazellerlandes kutschieren. Immer den Vaterberg vor Augen durchgleiten wir die Landschaftjuwele des Mariazeller Landes. In Gösing bei Puchenstuben steigen wir aus. Mariazeller BahnIdeal am Bahnhof gelegen das Alpenhotel Gösing, ein absoluter Geheimtipp für Genussurlauber und eine Oase der Stille im Angesicht des alles überragenden Ötschers. „Die Leute kommen der Stille wegen, die hier herrscht“, erklärt mir eine der Wirtsfrauen. Das Angebot des ****-Hotels umfasst Ruhe-, Erholungs- und Erlebnismöglichkeiten für fast jeden Geschmack: Wanderungen in die Nähe oder in größerem Radius per Mariazeller Bahn in den Grand Canyon oder nach Mariazell mit der Bürgeralpe und dem Erlaufsee. Plätze der Ruhe gibt es im und um das Haus in Hülle und Fülle, dazu ein In- und Outdoor-Swimmingpool, Massage, Sauna, und eine Sonnenterrasse mit traumhaftem Blick auf den Ötscher, also alles, was das Urlauberherz begehrt. Welche Wanderung denn hier die schönste sei, frage ich: „Die schönste gibt’s nicht – ob der nahe Panoramaweg, der Erlaufstausee, die Tormäuer, hier gibt’s nur schöne Sachen“, bekomme ich zur Antwort.
Was uns dennoch interessiert, ist die Jausenstation Jagdhaus Ochsenburg am Molterkogel (1000 m), die direkt vom Hotel aus zu erreichen ist. Nach mehr als einer Stunde auf Forststraßen und netten Waldsteigen eröffnet sich von der Terrasse der Ochsenburg aus ein Panoramablick auf den „Vaterberg“, wie man ihn selten erlebt. Und als g'schmackige Zugabe eine kernige Brettljause und köstlich schmeckender Most – auch das gehört hier im Mostviertel einfach dazu.

Moltererkogel

Von der Dachrinne fallen Tropfen in eine Lacke am Boden, das leise "Klick-Klick" schließt den Kreis unserer Suche nach den Stimmen des Ötschers und der Erlauf. Es sind zwar nur einige, aber sie alle zusammen ergeben eine Melodie, nach der ein Wanderer süchtig wird.

Naturpark Ötscher-Tormäuer:
Größere Kartenansicht
Wanderungen:
Rundwanderung Vordere Tormäuer – Nestelberg – Eibenboden: GZ: 3 Stunden, HM: 350 m
Molterkogel: Alpenhotel Gösing – Jausenstation Jagdhaus Ochsenburg: GZ: 1 Stunde, 130 HM (retour über Boden- und Dachsenwiese, 1,5 Std.)
Trefflingfall: Trefflingtalerhaus – Toreck (Tormäuer), 45 min.
Ötscher Tropfsteinhöhle:
Führungen an Wochenenden von Mai bis Oktober. Voranmeldung bei Johann Scharner, Tel.: +43 (0)7485 98559) oder jo.scharner@utanet.at, nähere Infos: www.naturfreunde.at
Einkehrmöglichkeiten:
Nestelberger Rast: Elisabeth Gross; Tel.: 07485/98891, geöffnet bis Oktober je nach Witterung
Alpenhotel Gösing: www.goesing.at
Schindlhütte: geöffnet April bis Ende Oktober 9:30 – 20:00 Uhr; Tel./Fax: 07485/68430; schindlhuette@aon.at
Tefflingtaler Haus: Hausgemachte Mehlspeisen, Spielplatz, Mo., Di. Ruhetag
Gasthaus Alte Schule: Mai bis Oktober täglich von 9-17 Uhr, Tel.: +43(2728)392
Eignung für Kinder:
Sehr gut geeignet
Eignung für Hund & Katz':
Gut geeignet
Ausrüstung:
Karte:
Kompass, WK 212, Hochschwab-Mariazell-Eisenwurzen

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