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Cover

Reinhold Messner

Der nackte Berg

Nanga Parbat - Bruder, Tod und Einsamkeit

(2002, Malik, ISBN 3-89029-211-9, zahlreiche Farb- und s/w-Fotos)


Umschlagtext:

Mythos Nanga Parbat - der Schicksalsberg und sein langer Schatten

"Das Schlüsselerlebnis meines Lebens liegt lang zurück. Alles geschah weit weg: Im Himalaja, am Nanga Parbat. Die Überschreitung des Berges 1970, von Süden nach Nordwesten, war mehr für mich als ein Übergang im geographischen Sinn. Es war eine Grenzüberschreitung vom Diesseits zum Jenseits, vom Leben zum Tod, vom Tod zum Leben."


Die Rupalwand! Man muß sich das vorstellen: Die Monte-Rosa-Ostwand mit einer Eiger-Nordwand darüber und das Matterhorn draufgesetzt. Nein, die Rupalwand ist nicht vorstellbar, nicht für all jene, die sie nie gesehen haben! Von Anfang an hat diese Riesenflanke alle beeindruckt, die an ihr vorbeigekommen sind. Von Anfang an. Jetzt sind wir dran und verzehren uns in einer Mischung aus Hoffnung und Angst. Diese Wand ist die größte bergsteigerische Herausforderung meines Lebens! [Reinhold Messner, Der nackte Berg, S.104]


Kommentar:

Ein seltsames Nirwana ...

Dass Reinhold Messner spannend erzählen kann, wissen wir. Dass er aber auch auf seine mitunter breiten philosophischen Tauchgänge verzichten kann, ist neu. In vorliegendem Buch zählt nur das Ereignis an sich, kein Daneben, Darunter, Innen oder Außen. Messner schildert so unmittelbar, als wäre er noch vor Ort, der Leser wird zu seinem Begleiter zwischen die Seracs der Rupalwand, über den eiskalten Gipfel und die längste Steilflanke der Welt, die Diamirflanke, hinab. Verstärkt wird die Authentizität durch Tagebucheintragungen seines Bruders und die exakte Wiedergabe diverser Dialoge. Die Unmittelbarkeit, mit der Messner den Leser am Geschehen teilnehmen lässt, fesselt, weckt Betroffenheit.

Neu sind auch die zwei Erzählebenen: Die eine schildert die "nackte" Wirklichkeit, das Geschehen per se, die andere kommentiert die Tragödie, versucht mit manchmal gewagter Tiefenschärfe das Geheimnis der Katastrophe zu ergründen.

Damit sei auch das Hauptthema des Buches genannt: die Rekonstruktion einer Tragödie, die Günther Messner, Reinholds Bruder, das Leben kostet. Aber es ist mehr als nur eine Rückblende - es ist der Versuch, ein Trauma zu bewältigen. Messner gräbt das scheinbar Vergessene und Bewältigte von neuem aus - und damit auch seine Verletzungen, Wunden, seine, anderer Menschen Schuld. Dass er dabei wild um sich schlägt, kennt man an ihm, das Kontroversielle gehört zu seiner Natur - er löst Kontroversen aus, nimmt sie aber auch an.

Gerade aus diesen Kontroversen bezieht das Buch seine eigentliche Spannung - aus dem Grenzgang zwischen den Extremen Mensch-Berg, Messner-Herrligkoffer, Egozentrik-Empathie, individuelles-kollektives Denken, Ehrgeiz-Eifersucht, Selbst- -Mitverantwortung, Selbstzerstörung-Überlebenswillen, Leben-Tod und, und, und. Ein atemberaubendes Spiel der Extreme - die Brüder Messner balancierend nicht nur am Grat zwischen den schwierigsten Wänden der Welt, sondern auch am Grat zwischen Sein und Nichtsein - die Konsequenz dieses (selbst-)mörderischen Spiels: Günther verliert es und fällt, Reinhold überlebt gerade noch ... Diese Polarität und die aus ihr entstehende Spannung geben dem Buch eine ungeheure Zugkraft, der man sich nur schwer zu entziehen vermag. Ein Abend genügt, um das Buch zu lesen.

"Ein seltsames Nirwana" nennt Messner die Welt der Achttausender. Wer selbst Höhenbergsteiger ist, weiß, was er damit meint ...


Zum Autor:

Reinhold Messner, Bergbauer und EU-Parlamentarier, Grenzgänger und Autor, ist der berühmteste Bergsteiger unserer Zeit. 1944 in Südtirol geboren, hat er 1970 seinen ersten Achttausender bestiegen, den Nanga Parbat. Es gelang ihm immer wieder, in den größten Sand- und Eiswüsten und an den höchsten Bergen der Welt neue Maßstäbe zu setzen.