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Wipptal-Schneeschuhschlitteln

Die Wipptaler in den Stubaier Alpen haben eine eigene Disziplin erfunden: Schneeschuhschlitteln – rauf im Trapperstil, runter mit Schlitten oder Bob. In den ruhigen und schneesicheren Seitentälern wie im Navistal oder Obernbergtal eröffnen sich zahlreiche Möglichkeiten dafür. Ein unschlagbarer Spaß für die ganze Familie!

Von Thomas Rambauske (Text und Bilder)

"Das passt alles", lautet der Leibspruch des Naviser Wanderführers und Edel-Sommeliers Franz Hörtnagel. Ihm werden wir durchs Hintere Navistal bis zum Mekka der Edelschnäpse folgen. Und das mit Schneeschuhen an den Füßen und einer Rodel an der Leine. Ob wirklich alles passt ums Wipptal herum? 

Romantisch: Obernberger See
Still, entlegen, naturnah – so präsentiert sich das Obernbergtal im südlichen Teil des Wipptals, an dessen Ende das Naturjuwel Obernberger See liegt. Los geht’s beim (gebührenpflichtigen) Parkplatz des Gasthauses Waldesruh. Gemächlich steigen wir auf einer breiten Forststraße, die zugleich als Rodelbahn dient, Richtung Obernberger See hinauf. Nach dem ersten Waldstück gelangen wir zu den Wiesen der Unterreins-alm, auf der einsam einige Stadel und Häuser stehen. Hier können wir wählen: Haben wir einen Schlitten dabei, marschieren wir auf der Rodelbahn bergwärts. Alternativ können wir mit Schneeschuhen am sog. Wiesenweg über die Unterreins- und Oberreinsalm zum ehemaligen Gasthof am Obernberger See (1593 m, 30 min) hinaufstapfen. Die Rodel hier deponiert, beginnt der stillste und romantischste Teil der Tour, die Umrundung des Obernberger Sees. Von diesem idyllisch gelegenen Gewässer, mit fast 17 Hektar eines der größten der Nordtiroler Zentralalpen, ist im Winter kaum was zu erkennen, da meist zugefroren und von einer dicken Schneeschicht bedeckt. Eindrucksvoll die Szenerie mit den Zweitausendern Obernberger Tribulaun, Geierskragen, Grubenkopf und Hoher Lorenzen, die den See eng umgeben. Diesen verdanken wir einem Bergsturz, der vor etwa 8.200 Jahren vom Obernberger Tribulaun abgegangen war. Bereits 1935 wurde der See aufgrund seiner landschaftlichen Schönheit zum Naturdenkmal erklärt.

Maria am See
Das Seekirchlein "Maria am See" (links), dahinter der Obernberger Tribulaun

Auf breiter, fast immer geräumter Forststraße gelangen wir bis zu einer Wegkreuzung und einer kleinen Holzbrücke, die zum malerisch auf einem Felsen gelegenen Seekirchlein "Maria am See" (vulgo Seekapelle) führt. Sie wurde auf den Überresten des Bergsturzes erbaut und markiert auch jene Stelle, wo sich bei hohem Wasserstand die zwei Teile des Sees verbinden.
Zurück bei der Wegkreuzung, könnten wir zur Steiner Alm hinauf wandern (siehe Bild unten) – eine Variante für sportliche Wanderer, die Kraft für etwa 2,5 Stunden alpineres Schneeschuhwandern haben.

Steiner Alm
Sportliche Schneeschuhgeher marschieren zur Steiner Alm weiter.

Schlittler setzen die Seeumrundung fort, bis sie am sog. Hinteren See bei einem Steinhaus vorbeikommen. Hier warnt ein Schild vor dem Weiterweg: "Trittsicherheit erforderlich – Absturzgefahr!" Tatsächlich führt der nun schmale Pfad nah am Seeufer mal über steilere Hangquerungen, mal über nicht hohe, aber felsige Steilstufen, wo es aufzupassen heißt. Nach dem steileren Gelände passieren wir zwei idyllische Seebuchten, gelangen wieder zur Seekapelle und nach wenigen Minuten zum Rodel-Depot zurück. Nun dürfen wir uns auf ein rasantes Zusatzabenteuer freuen, nämlich die Abfahrt über die perfekt präparierte Rodelbahn, die auch nachts bei Flutlicht zu befahren ist. Jippijei!! Da lacht und jauchzt das verjüngte Gemüt und wird selbst der alte Schreibtischhengst wieder zum Kind.

Rodelabfahrt
Die Rodelabfahrt vom Obernberger See macht Jung und Alt Spaß.

Wer unberodelt ist, marschiert über den Wiesenweg zurück.

Ruhig und rasant: Maria Waldrast
Auch die kurze Schneeschuhwanderung durch die großartige Landschaft rund um den Wallfahrtsort Maria Waldrast kann mit einer rasanten Rodelabfahrt kombiniert werden. Zum Kloster, dem Ausgangspunkt der Tour, nehmen wir einen Shuttlebus, der aus Matrei und Steinach mehrere Male am Tag hinauffährt. Ab dem Mauthäuschen ist die Befahrung nämlich nur mit Schneeketten und Allrad möglich. Außerdem: Wir wollen ja im Anschluss an die Tour nach Mühlbachl abschlitteln.
Maria WaldrastDas auf 1.641 Metern gelegene Wallfahrtskloster Maria Waldrast am Fuße der Serles ist nicht nur ein Ort der Besinnung und des Naturgenusses, Wanderer können sich im Klostergasthof auch kulinarisch verwöhnen lassen und bei Bedarf eine Übernachtung buchen. Der Name "Waldrast" rührt davon her, dass die Waldlichtung einst als beliebte Raststätte für Menschen diente, die früher von einem Tal ins andere überwechselten. Die heutige Wallfahrtskirche wurde vor fast 400 Jahren erbaut und ist damit einer der ältesten Marienwallfahrtsorte Tirols und einer der höchstgelegenen in ganz Europa.
Nun aber los: Vom Kloster wandern wir in nordwestlicher Richtung auf der Fahrstraße aufwärts zum Waldbeginn. Hier gleich rechts in den Wald und der Beschilderung "Waldraster Jöchl/Auffindungskapelle" und den Stationen eines Kreuzwegs folgend in mehr oder weniger steilen Serpentinen bergauf. Der stille, meditative Weg führt bis zur sog. Auffindungskapelle – der letzten Station des Kreuzwegs. An diesem Ort soll der Sage nach im Jahr 1407 von zwei Hirten ein Gnadenbild der Muttergottes gefunden worden sein, was den Beginn des Klosters markierte.
Nun geradeaus aufwärts zum Gipfelplateau des Waldraster Jöchls, von wo sich ein Traumpanorama auf den mächtigen Gebirgskamm der nahen 2.717 m hohen Serles eröffnet, die Goethe einst ehrfürchtig als "Altar Tirols" bezeichnet hat.

Waldraster Jöchl
Aufstieg zum Waldraster Jöchl; im Hintergrund die Serles, der "Altar Tirols", wie Goethe den mächtigen Berg genannt hat.

Weiter in nordöstlicher Richtung am Gleinser Steig abwärts bis zu den Gleinser „Mähdern“, einem weitläufigen, sonnigen Wiesenboden mit Hütten und großartigem Ausblick auf die Bergkulisse der Zillertaler und Tuxer Alpen sowie den Innsbrucker Hausberg Patscherkofel. Über diese Alm zu stapfen ist ein besonderer Schneeschuhgenusss.
Danach durch eine steilere Waldschneise bergab, bis wir zu einer Loipe gelangen. Dieser folgen wir nach rechts und bleiben ihr treu bis Maria Waldrast. Am Weg lauschige Lichtungen und stille Winterwälder, die wir im Schneeschuh-Schlenderschritt durchmessen. Trapperfeeling pur. Nach einer warmen Graupensuppe im Klostergasthaus borgen wir uns um wenige Euro eine Rodel aus und stürzen uns mit einem Juchitzer in die Tiefe … Die Abfahrt auf der perfekt präparierten Rodelbahn führt anfangs über die Alm unterhalb des Klosters, dann durch Wald.
Bei einer Weggabelung hat man die Wahl zwischen einer schweren Route (bis 23%) und einer leichten (bis 14%). Wir Anfänger entscheiden uns für die leichte und kurven durch Waldschneisen, Hohlwege und scharfe Kehren abwärts. Wie die Profis stoßen wir uns ab, flitzen, lachen, jubeln und jodeln die Bahn hinunter. Da spritzt der Schnee, glühen die Wangen und jubelt das Herz! Eine Gaudi, die so auch schon Hermann Hesse empfunden hat: "Im Dahinfahren durch den weißen Bergwinter, tausend Meter über dem gewohnten Leben, vergisst man alles, was des Vergessens wert ist, und reitet sausend bergab", schwärmte er in den 1880er-Jahren, als er im Engadin oft auch mit der Rodel unterwegs war. Wie wahr!

Maria Waldrast Abfahrt mit Rodel
Die Rodelabfahrt von Maria Waldrast verläuft anfangs über Almen – eine unschlagbare Gaudi!

Nach 15 Minuten bzw. 3,7 km erreichen wir die Ziellinie. Was bleibt: rote Wangen, vom Bremsen brennende Wadln und ein erheitertes Gemüt.
Ach ja: In 20 Minuten kommt man vom Ende der Rodelbahn zu Fuß nach Matrei hinunter ...

Genusstriathlon: Naviser Almenrunde
Die Königsrunde im Wipptal, der sog. „Genusstriathlon“, besteht aus drei Akten: Schneeschuhgehen, Rodeln und Schnapsverkosten in einer Brennerei von Weltrang.

1. Akt: Schneeschuhgehen
Der Auftakt verläuft über die sog. Naviser Almenrunde. Geführt von Bergwanderführer und Edelschnaps-Brenner Franz Hörtnagl, stapfen wir vom Parkplatz Grün ausgehend in einer großen Schleife über mehrere Almen wie die Peeralm, die Poltenalm und die Naviser Alm bis zur Naviser Hütte. Immer umgeben von der hoch aufragenden, mächtigen Kulisse aus
Naviser Kreuzjöchl, der Naviser Sonnenspitze, Lizumer Reckner, die alle die „Grenze“ zum Zillertal darstellen, wandern wir lange Zeit auf gleicher Höhe einmal knapp über, dann wieder unter der Waldgrenze. Winterwanderer, was willst du mehr?

Naviser Genusstriathlon
Die Naviser Almenrunde führt über mehrere Sonnenplateaus. Um uns herum eine beeindruckende Bergkulisse.

Bei der Vögeleralm beginnt sich das Tal zu verengen, kurze Zeit später müssen wir im Talschluss einen Graben überwinden und auf schmalen Hangwegen etwas bergauf steigen. Unterhalb der Poltenalm (1880 m) treffen wir wieder auf eine breite Fahrstraße und erreichen den höchsten Punkt der Tour, von wo sich ein grandioser Weitblick über das Navistal bis zu den Stubaier Alpen und der Serles ergibt. Von nun an geht’s bequem auf dem Forstweg zur Naviser Hütte (1767 m). Boxenstopp! Das beliebte Schutzhaus ist bekannt für zwei Spezialitäten: die Tiroler Pressknödel und den Schoko-Kuchen. Beides sollte man sich nicht entgehen lassen. Hier auch leihen wir uns Rodeln aus, mit denen wir den 2. Teil des Genusstriathlons antreten.

2. Akt: Rodelpartie
Die Rodelabfahrt über die Naturrodelbahn zum Parkplatz Schranzberg hinunter ist an Rasanz kaum zu überbieten. Auf dieser wunderschönen, teils waldigen, teils panoramareichen Strecke überwinden wir auf 3,5 Kilometern etwa 400 Höhenmeter. Immer das wunderschöne Bergpanorama der Stubaier Berge vor uns, schlittern wir im wahrsten Sinn des Wortes zu Tal, wobei einige enge, aber ungefährliche Kurven zu meistern sind. Vorsicht heißt es auch angesichts entgegenkommender Wanderer, die die Rodelbahn als Aufstiegsweg nutzen. 10–15 Minuten sind wir unterwegs und erleben ein Feeling wie anno dazumal. Endlich wieder Kind sein und "die Sau rauslassen" dürfen – das hat was!

Naviser Genusstriathlon
Beim Rodel-Downhill von der Naviser Hütte müssen einige scharfe Kurven gemeistert werden ... da lacht das Herz!

Naviser Genusstriathlon3. Akt: Schnapsverkostung
Die dritte Disziplin ist geistiger Natur und schmeckt einfach gut. Es ist Franz Hörtnagl zu verdanken, dass Navis seit einigen Jahren zum Mekka guter Spirituosen geworden ist. Seine Schnäpse haben zahlreiche Auszeichnungen eingeheimst, was ihm den Titel des "besten Brenners vom Brenner" eingebracht hat. Die "Schnapsidee" zum Schnapsbrennen sei ihm vor 10 Jahren gekommen, erzählt seine Frau, die für die Liköre zuständig ist. Die beiden verarbeiten alles, was in der Umgebung zu finden ist, wie Meisterwurz, Zirbe und Ringlotten. Was auf 1700 Metern nicht wächst, muss importiert werden, wie Marillen aus der Wachau, Williamsbirnen vom Bodensee oder Äpfel aus der Steiermark. Aus all den Zutaten stellen die Hörtnagls wohlschmeckende Gaumenschmeichler her. Wohl bekomm’s!


Lage:

Obernberger See
Ausgangspunkt:
Parkplatz beim Gasthaus Waldesruh beim Talschluss des Obernbergtals (gebührenpflichtig! Hierhin führt auch ein Bus).
Aufstiegsroute:
Gasthaus Waldesruh (1.439 m) – Rodelbahn oder Unterreinsalm – Oberreinsalm – ehemaliges Gasthaus am Obernberger See (Startpunkt der Rodelbahn) – Maria am See (Seekapelle, 1590 m) – Seeumrundung – per Rodel retour oder zu Fuß über den Wiesenweg zurück
Rodelabfahrt:
Höhenunterschied: 153 m, Länge: 1,5 km, Durchschnittsgefälle: 10,4%
Gesamthöhenmeter:
400
Gesamtgehzeit (in Stunden):
ca. 3,5
Länge:
13 km
Einkehrmöglichkeit:
Gasthaus Waldesruh
Schwierigkeiten:
Technisch leicht; bei der Seeumrundung ist am westlichen Ufer auf die steileren Hangquerungen zu achten, die felsig, rutschig und schneebrettgefährdet sein können
Infos:
www.waldesruh-obernberg.net
Maria Waldrast
Ausgangspunkt:
Maria Waldrast (Parkplatz, Shuttle-Haltestelle, 1.638 m)
Aufstiegsroute:
Maria Waldrast – Waldraster Jöchl (1.878 m) – Gleinser Mähder – Schönanger – Maria Waldrast – Rodelabfahrt bis zum Mauthäuschen (Beginn der mautpflichtigen Straße) knapp vor Mühlbachl
Rodelabfahrt:
Höhenunterschied: 500 m, Länge: 3,6 km, Durchschnittsgefälle: 13% (möglich: 23%)
Gesamthöhenmeter:
440
Gesamtgehzeit (in Stunden):
ca. 4
Länge:
12 km
Einkehrmöglichkeit:
Maria Waldrast Klostergasthaus
Schwierigkeiten:
keine
Infos:
www.mariawaldrast.at
Naviser Genusstriathlon
Ausgangspunkt:
Navis (1.485 m, Parkplatz Grün)
Aufstiegsroute:
Navis – Peeralm (1.663 m) – Vögeleralm – Poltenalm (1.880 m) – Naviser Hütte (1.767 m) – Rodelpartie zum Parkplatz Schranzberg im Navistal (1.393 m) (20 min zu Fuß zur Schnapsverkostung in Navis oder dorthin auch per Shuttle)
Rodelabfahrt:
Höhenunterschied: 400 m, Länge: 3,5 km, Durchschnittsgefälle: 12%
Gesamthöhenmeter:
200
Gesamtgehzeit (in Stunden):
ca. 2,5–3
Länge:
7 km
Einkehrmöglichkeit:
Naviser Hütte
Schwierigkeiten:
keine
Infos:
www.naviserhuette.at/, www.haushoertnagl.at
Infos und Anmeldung
Tel.: +43 5272 6270, tourismus@wipptal.at
Tipps
Stützpunkt:
Parkhotel Matrei (www.parkhotel-matrei.at)
Ausrüstung:
Wer mit Schneeschuhen unterwegs ist, will diese bei der Rodelabfahrt auch mit ins Tal nehmen. Deswegen ist – neben der üblichen Schneeschuh- und Sicherheitsausrüstung – ein passender Rucksack notwenig, an den man für die Abfahrt Stöcke und Schneeschuhe montieren kann.
Beratung, Buchung, Infos
Tel.: +43 5272 6270, tourismus@wipptal.at, www.wipptal.at


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