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Das Missing Link zu einer perfekten Rundtour

Lahnsattler Urwald – Gippel – Göller

September 2006

Text/Bilder: Thomas Rambauske

Gippel und Göller gelten als die geheimen Hausberge vieler Wiener neben den "offiziellen" Rax und Schneeberg. Auf erstere zieht man sich zurück, wenn man seine Ruh' haben will oder aber um die eindrucksvollste Kammwanderung des Voralpengebietes zu erleben, zumal sich zwischen Gippel und Göller hochalpine Wegstrecken, famose Ausblicke, idyllische Almen und lauschige Wäldchen genauso flott abwechseln wie Kuhfladen und deren Produzenten. Nachdem eine Überschreitung gewöhnlich bei St. Aegyd startet und beim Kernhofer Gscheid endet (oder umgekehrt), ist für den Retourweg ein zweites Auto oder ein kompliziertes Shuttle-Rückfahr-Autostopp-Manöver notwendig. Das "Missing Link" zu einer perfekten Rundtour mit ein- und demselben Start- und Zielpunkt findet sich in einem der letzten Urwälder Österreichs, dem Lahnsattler Urwald, und zwei scharfen Hängen, die allerdings nur trittfesten Abenteurern vorbehalten bleiben. Und auch sonst empfiehlt sich die anstrengende und tagesfüllende Überschreitung von Gippel und Göller nur geübten, gut trainierten und ausgerüsteten Wanderern.

Durch den Lahnsattler Urwald

Lahnsattel (1015 m, Pass) – Zellersteig (Lahnsattler Urwald)

HU ca. 100 ca. 100 m, GZ 1½ Stunden

 

 

Lahnsattel
Lahnsattel

 

Fliegenpilz
Ein rescher Fliegenpilz

Das Auto wird am Lahnsattel-Pass (Kreuz, Parkplatz) abgestellt. Längs der Straße führt ein blau markierter Wallfahrerweg bergab und bald an einem "Holzknechtpfad" mit alten Gerätschaften vorbei, die an die schwere Zeit der händischen Holzverarbeitung erinnern. Schilder bezeichnen die am Wegrand stehenden Bäume und unterstreichen das hohe Alter des hiesigen Waldes. Nach dem Ort Lahnsattel und etwa 30 Minuten links zum Donaudörfl am Fuß des Göllers. Nach einer Brücke nicht die Asphaltstraße links weiter, sondern rechts auf eine Forststraße, die zugleich den blau markierten Zellersteig und einen beliebten Wallfahrerweg darstellt. Nun unanstrengend flach dahin durch einen der letzten Urbiotope Österreichs, in das seit langer Zeit keine Menschenhand mehr eingegriffen hat. Ja wirklich, hier knarren die greisen Bäume und schnarren die Heuschrecken, da rauscht der Bach (Kalte Mürz) und raschelt's im Gehölz - eine wunderbare Musik, die leider nur allzu oft unterbrochen wird von betenden und singenden Wallfahrergruppen, die hier sogar mit Megafonen bewaffnet durchziehen. Tipp an die Wallfahrtsmanager: Dieser Wald eignet sich bestens zur stillen Meditation, zum ehrfurchtsvollen Schauen und Lauschen, zum andächtigen Silentium. Immer wieder queren Rinnsale den Weg und füllen kleine, von Kaulquappen und quirrligen Wasserläufern bewohnte Tümpel, Pfauenaugen und Admirale flattern über eine ungeheure Vielfalt an Pflanzen ... ja, beim Lahnsattler Urwald handelt es sich wirklich um einen originalen Baustein der Schöpfung, den der Mensch noch nicht verdorben hat. Schon allein deswegen bietet sich dieser Naturschatz als Pflicht-Lehrweg für Kinder- und Familien an. Kindern kann hier klar vor Augen geführt werden, was eigentlich geschützt gehört, was einfach schön ist, weil es unverbraucht, unverfälscht und ursprünglich ist. Ein Tour ohne handgemachte Attraktionen, Sensationen und Action, eine Tour, dessen Hauptattraktion in den Geschichten besteht, die ein 100 Jahre alter Baum oder die Eidechse oder Schlange erzählen.
Um die Geheimnisse des Lahnsattler Urwalds noch besser erkunden und verstehen zu können, sollte man sich einen ortsansässigen Führer engagieren, wie z.B. Herrn Richard Nutz, Tel.: 03883/236. Nach etwa einer Stunde lichtet sich der Wald und gelangt man ungefähr in der Mitte zwischen Gsenger- und Gippelgraben an einen Felsen mit Wallfahrts-Gedenkschildern. Hier ist Schluss mit lustig.


Ein prächtiger Admiral

Gippel - Göllerhütte - Göller

Lahnsattler Urwald - Gippel (1669 m) - Hofalm (Schnalzstein, 1546 m) - Waldhütt Sattel (1266 m) - Göllerhütte (1440 m) - Göller (1766 m) - Eisgrube - Lahnsattel (Pass)

HU ca. 1200 ca. 1000 m, GZ 7 ½ Stunden


Blick auf Hofalm und Schalzstein, dahinter der Göller

Blick zurück auf die hochragende Gippelnase
Blick zurück auf die hochragende Gippelnase

Pfundiges Essen auf der Göllerhütte
Pfundiges Essen auf der Göllerhütte

Picknick unter dem Gipfel des Kleinen Göllers
Picknick unter dem Gipfel des Kleinen Göllers

Nun nordwärts und unmarkiert über einen steilen Grashang bergan und an einem Jägerhochstand vorbei durch eine Windbruchzone. Sobald sich der Hang verflacht, sollte sich nordöstlich der Gipfelfelsen des Gippel samt Kreuz auftun, ein wenig später der markierte Roman Majewski-Steig (1 ½ St., Roman Majewski führte von 1945-1967 die AV-Sektion St. Pölten). Legt man Wert auf den Gippel-Gipfel sollte man etwa 30 Minuten und einen etwas steileren Anstieg durch die latschenbewachsene Südflanke des Berges einplanen. Ansonsten den Majewski-Steig links weiter und den nun sicher schönsten Abschnitt des Weges, ja vielleicht sogar der Wiener Hausberge, begangen: die Kammwanderung über Hofalm, Schnalzstein, Waldhütt Sattel gen Göller. Sehend und staunend flaniert man gemütlich über Almen, Wiesen, Kuhweiden, Lichtungen, kleine Wälder, und immer wieder famose Aussichtspunkte mit Blick auf Ötscher, Dürrenstein, Rax und Schneeberg. Über die schrofig-begrünte Gratschneide der Gamsmauer westwärts eben weiter. Mit der Hofalm und dem Schnalzstein (1 ½ St.) gelangen wir zum zweiten sprichwörtlichen Höhe-Punkt. Zudem kann in der Kohlröserlhütte ein gemütlicher Zwischenstopp eingelegt werden. Der Duft des Sommers ist auf den Weiden hier besonders intensiv: frische Kuhfladen, feuchte Erde und duftende Wiesenkräuter ergeben ein Odeur, nach dem wir uns nach langen Wintern gerne sehnen.
Nun bergab und mit Blick auf Kernhof durch Wald zum Waldhütt Sattel (Abbruchmöglichkeit nach Kernhof bzw. Lahnsattel), von hier über eine Straße quer durch die bewaldete Südflanke des Schwarzkogels, zuletzt über einen lichten Steilhang in Kehren bergan zur Göllerhütte (1 St.), einer von den Naturfreunden St. Pölten gemeinschaftlich betreuten Raststation mit g'schmackigen Speisen und engagiertem Wirtsteam. Der Blick über das Hügelland des Voralpengebietes ist sowieso beeindruckend.
Von der Göllerhütte zuerst durch Nadelwald, dann über die Göllerwiese bergauf und durch Latschengassen und über schottrige Wege bis knapp unter den bekreuzten Gipfel des Kleinen Göller (10 Minuten Umweg). Weiter durch Latschen an einem Gedenkkreuz vorbei und über die Steilabbrüche der Karlgrube auf den grasigen Ostrücken des Göllers. Über diesen zum letzten, aber wahren Höhe-Punkt des Tages (1 St., Kreuz, Gipfelbuch). Pause. Schauen: Hochschwab, Gesäuseberge, Dachstein und Totes Gebirge, Dürrenstein, Gemeindealpe, Ötscher, im Norden Sulzberg, Tirolerkogel, Eisenstein, im Osten Schneeberg, Rax und Schneealpe.

Um zurück zum Ausgangspunkt am Lahnsattel zu gelangen, Teil zwei des "Missing Links" und wieder ein etwas happiger Hang. Abstieg Richtung Terzer Göller und von dort unmarkiert die steile Eisgrube (Geröll, Wiese, Latschen, bekannt als rassige Winterabfahrt) hinab. Einen Weg durch die wild wuchernden Latschenfelder zu finden, wird von Jahr zu Jahr schwieriger. Trifft man auf eine Forststraße, hat man es geschafft, denn die führt genau bis zum Lahnsattel-Pass und also zum Gefährt (2 St.).

9 Stunden und 1300 Höhenmeter stecken nun in unseren Beinen. Das reicht. Bis zum nächsten Wochenende.

Ein Videoclip vom Gipfel des Göller (10/2010)

 

Lahnsattler Urwald

Der 23 Hektar große, unberührte "Urwald", der noch nie forstwirtschaftlich genutzt wurde, befindet sich im Besitz der Familie Hoyos in Lahnsattel. Urwald-Führungen ermöglichen den Besuchern dieser Naturrarität noch heute den Anblick von 350 Jahre alten Tannen, wildwuchernden Farnen und äußerst seltenen europäischen Orchideenarten. Führung: Richard Nutz, Tel.: 03883/236

Schwierigkeiten:
Die Tour, wie sie hier vorgestellt wurde, stellt hohe Anforderungen an die Kondition. Weniger Trainierten ist die Tour als Zwei-Tages-Wanderungen zu empfehlen mit Nächtigung in der Göller- oder Kohlröserlhütte. Trittsicherheit ist in der Eisgrube vonnöten.
Höhenmeter: Etwa 1300 in Auf- und 1000 im Abstieg
Gesamtgehzeit: ca. 9 Stunden
Beste Jahreszeit: In schneelosen und wettersicheren Zeiten immer möglich
Kinder: Teilabschnitte sind gehfreudigen Kindern sehr wohl zuzutrauen wie etwa der Spaziergang durch den Lahnsattler Urwald, die Gipfeltour auf den Göller von Gscheid bzw. Kernhof aus (Waldhütt Sattel, Göllerhütte) oder auf den Gippel vom Zögernitz unweit von St. Aegyd.
Hund und Katz': Nicht geeignet
Ausrüstung: Pack-Checkliste
Einkehrmöglichkeiten: Göllerhütte, Gippelhütte, Kohlröserlhütte, Alpengasthof Gscheid
Karte: Freytag & berndt WK 012, "Wanderatlas Wiener Hausberge", 1:50.000
Internet: www.staegyd.at, www.goellerhuette.com

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