Der Johannesweg über die Mühlviertler Alm (OÖ) ist ein spiritueller Wanderweg, der in drei oder vier Tagesetappen absolviert werden kann. Was den Weg so besonders macht, ist die stille, anmutige, mit Liebe gepflegte Landschaft, deren heiterer Charme auf den Wanderer abfärbt.
Der Weg – die österreichische Antwort auf den Jakobsweg – entstand auf Initiative des Mediziners Dr. Johannes Neuhofer und wurde im Juni 2012 eröffnet. Zwölf Stationen regen zum (Nach)Denken an und wollen einen Weg zum tieferen Sinn des Lebens weisen. Wegsymbol ist eine weiße Lilie, ein altes Symbol des Lichts.
Wald, eine Burg und zwei Berge
Etappe 1: Schönau – Weitersfelden
Kaum haben wir die ersten Schritte des Johanneswegs getan, steigt neben uns eine Bäuerin vom Rad und fragt uns mit einem skeptischen Blick auf unsere nackten Wadeln, ob wir denn eh gut ausgerüstet seien, es werde Regen kommen. Wir bejahen, worauf sie uns wünscht, dass es uns hier „guat gfoit, weil ihr gfoits a guat do im Mühlviertel“. Dass es den Mühlviertlern am besten im Mühlviertel gefällt, werden wir noch öfter zu hören bekommen. Auf dem Weg zur Stoaninger Alm fallen uns moosbedeckte „Wackelsteine“ auf, die stark an die Findlinge im Waldviertel erinnern. Tatsächlich befinden wir uns nahe am „steinreichen“ Viertel, nur 40 km von Zwettl entfernt. Von den Blättern der Bäume tropft der Nachregen, Nebelschlieren hängen zwischen den Wipfeln, aus dem Moos, das an den Granitsteinen klebt, perlen Wassertropfen. Auch diese frische, saftige Waldflora erinnert ans Waldviertel.
Am Herrgottsitz finden wir die erste Station des Johanneswegs vor: „Bewahre die Geduld, dann kannst du den Tag ohne Hast erleben“, steht da auf einem Schild zu lesen. Eine gute Anregung nicht nur für den Weiterweg. Mehr Sprüche seien hier nicht verraten, besser, man liest und interpretiert sie aus der eigenen Wanderschaft heraus. Auf der granitenen Felsformation des Herrgottsitzes befindet sich eine sitzförmige Mulde, wo sich der Sage nach der liebe Gott nach seinem Schöpfungswerk ausgeruht haben und zufrieden ins Mühlviertel geblickt haben soll. Also doch, der liebe Gott muss ein Mühlviertler gewesen sein.
Es ist ein kaum anstrengendes, meditatives Gehen.
Wir müssen auf nichts aufpassen, vor nichts Angst haben, niemandem und nichts nacheilen.
Im Weiterweg deutet sich der Charakter unserer Pilgerfahrt durchs Mühlviertel an: Mit ständigem Blick über das Hügelmeer wandern wir leichtfüßig dahin, mal über sonnenhelle Wiesen, mal durch Wälder, mal entlang von Kornfeldern, an alten Mauern vorbei wie jenen der zweitgrößten Burg-ruine Oberösterreichs: Prandegg. Staunend wandern wir durch das Burgtor und die Wohnbauten bis zur Kapelle und außen rum über Felsgräben wieder zurück. Am Weg immer wieder dunkle Verliese, kleine Kammern und Treppen in schummrige Kellerabteile; eine kleine Aussichtsplattform ermöglicht den Blick in das Aisttal. Genau in dieses Tal hinunter lenken wir dann unsere Schritte. Es ist ein kaum anstrengendes, meditatives Gehen. Wir müssen auf nichts aufpassen, vor nichts Angst haben, niemandem und nichts nacheilen. Langsam ordnen wir uns und unseren Rhythmus in die stille, bedächtige, in sich gekehrte Landschaft ein.
Den Herzogreither Berg muss man nicht besteigen. Allerdings zahlt es sich aus, den aus dem Wald ragenden Granitfelsen über einen Mini-Klettersteig zu erklimmen. Von der Aussichtsplattform erkennen wir das nicht weit entfernte St. Leonhard bei Freistadt – unser nächstes Tagesziel.
Im Mühlviertel sind es auch keine Großereignisse, hohe Gipfel oder turbulente Abenteuer, die alles andere überlagern, nein, es ist diese dauernde Abfolge von kleinen landschaftlichen Kostbarkeiten, süßen Winkeln, idyllischen Wegen, Aussichtspunkten und schlichten Begegnungen mit der Bevölkerung, die uns verzaubert. All das ergibt auch eine Abfolge kleiner Glückseligkeiten, die jede Schwermut vertreiben und eine besondere Leichtigkeit des Seins spürbar machen. Beim Augenbründl nach St. Leonhard fordert uns ein Schild auf, einen Stein auf den Haiderberg mitzutragen, zum Zeichen, dass einem am Weg ein Stein vom Herzen fallen möge. Wir tun es und legen ihn in einem Gittergefäß am Haiderberg ab. Auch von dieser Himmelsloge lässt es sich kommod übers Land schauen. Der Weißen Aist folgend, wandern wir bis nach Weitersfelden.
Es ist diese dauernde Abfolge von kleinen landschaftlichen Kostbarkeiten, süßen Winkeln, idyllischen Wegen und schlichten Begegnungen
mit der Bevölkerung, die uns verzaubert.
Wiesen, Schnaps und Eremiten
Etappe 2: Weitersfelden – Königswiesen
Über Weiden und durch Wald gelangen wir ins Tiefenbachtal. Die kleinen Glückseligkeiten überraschen uns auch hier, wie etwa bei der „Schnapsrast“ Thauerböck, wo in einem 24 Stunden lang geöffneten Selbstbedienungs-Pavillon hochwertige Edelbrände angeboten werden. Das Geld dafür wirft man in eine Blechbüchse. Über Wiesen und an Gehöften vorbei wandern wir nun zum Kammererberg (980 m), dem höchsten Punkt der gesamten Tour. Die Wald- und Wiesenkuppe ziert auch eine kleine Kapelle. Nach dem Wallfahrtsort Kaltenberg geht es durch Wald und Wiesen auf einem Kreuzweg Richtung Unterweißenbach hinunter, dem wirtschaftlichen und sozialen Zentrum der Region. Wir kehren ein, um uns für das kommende Bergaufstück zu rüsten: Über Kuhweiden und an Gehöften vorbei nähern wir uns dem Wegererstein. Nach einem Spalier von moosbedeckten Granitblöcken verengt sich der Weg zu einem schmalen Pfad, auf dem man sich erstmals heute anstrengen muss. Über eine Stahl- und Holzstiege steigen wir auf den Gipfelfelsen (834 m) hinauf – ein nettes, für hier typisches Bergerlebnis. Ein anderes typisches Erlebnis ist die Einsiedlerklause am Fuße des Himmelberges. Die kleine, nur 4 m2 große Einsiedelei wurde bekannt durch die Ordensschwester Leonilla Wahlmüller, die hier 1993 einzog und als Eremitin meditierend und betend lebte. Scharen von Ratsuchenden pilgerten zu ihr und erhofften sich Trost und neuen Lebensmut. Nach drei Jahren verstarb sie 61-jährig. Was die Landschaft auch ausmacht, sind die vielen Zeugnisse vergangener und gegenwärtiger Frömmigkeit. Auf einem Feldweg, dann über einen Bergkamm lustwandeln wir zum Gipfelkreuz des Hansenberges. Vor uns bis zum Horizont der in Falten geworfene Fleckerlteppich des Mühlviertels, ganz nah Königswiesen.
Vom Gipfel des Hansenberges lässt sich der Fleckerlteppich der Mühlviertler Landschaft überblicken.
Eine Ruine und ein Fluss
Etappe 3: Königswiesen – Pierbach
Ein typischer Mühlviertler Tag heute: von Tal zu Tal, von Wald zu Wald, von Wiese zu Wiese, dann ein Stück rauf, schließlich wieder runter, letztlich das erste Dorf, Mötlas, ein stiller Ort mit einer Steinblockkapelle und einem Gasthaus, das zugleich Kaufhaus ist. Um den Bischofsberg herum gelangen wir zur Ruine Ruttenstein. Die einstmals riesige, mit sieben Ringtürmen versehene Hochburg zählt noch heute zu den eindrucksvollsten Wehrburgen des Landes. Über eine Treppe besteigen wir einen der Türme, um von dort über das Land zu schauen. Durch den Rest des Tages führt uns die Große Naarn. An deren Ufer liegt auch Pierbach, der eigentliche Anfangs- und Endpunkt des Johannesweges.
Eine Feuerlilie und ein Roter Fingerhut gehören zu den botanischen Kostbarkeiten auf der Mühlviertler Alm.
Alles ergibt auch eine Abfolge kleiner Glückseligkeiten, die jede Schwermut vertreiben und eine besondere
Leichtigkeit des Seins spürbar machen.
Ein Plätschern, ein Hämmern und die Stille
Etappe 4: Pierbach – Schönau
Finale unseres Weges! Auf einem hübschen Waldweg geht’s kurz durch lichtdichten, schattigen Wald, dann schon wieder über eine helle Alm, auf der Bauern arbeiten, an einem Ganslhof vorbei, Apfelbäume, penibel gepflegte Kulturlandschaft. An ihr merkt man, wie sehr die Mühlviertler ihre Landschaft lieben und hegen und pflegen. Dann plötzlich ein lauter werdendes Hämmern: die "Kuglmühle" Irxenmayr. Neben dem selbst erbauten kleinen Hammerwerk ist die Kuglmühle Irxenmayr in Hinterhütten die einzige Kuglmühle Oberösterreichs, wo nach jahrhundertealtem Verfahren mithilfe des Wassers aus unförmigen Steinen Granitkugeln geformt werden. Das metallische Hämmern klingt lange nach. Wenig später der Johannesbrunnen und die 2009 errichtete Schutzengelkapelle. Spätestens hier wird einem bewusst: Es gibt kein besseres Heilmittel gegen seelische Verkrampfungen als so ein stiller Weg durch eine heilsame Landschaft. Das heilt, verwandelt. Eigentlich möchte man nicht, dass dieser Weg zu Ende geht, möchte ihn am liebsten noch einmal gehen, die Mühlviertler Glückseligkeit noch einmal erfahren ...
Der Johannesbrunnen in Pierbach ist eine der schön gelegenen Stationen.
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