Beim
Namen Civetta (= "Eule") wird in erster Linie an die Dolomiten,
dann an schwere Klettersteig-Anstiege gedacht. Der
Via ferrata degli Alleghesi über den Ostpfeiler der Punta Civetta,
die Via ferrata Attilio Tissi und die Via ferrata Costantini (Moiazza)
gehören zu den anspruchsvollsten Klettersteigen der Dolomiten.
Aber die Civetta hat auch ihre - relativ gesehen - sanfte Seite, den
"Via normale" über die SO-Flanke des Berges. Wir haben
diesen üblichen Abstiegsweg bergauf getestet und haben erkannt:
zwar kein Pappenstiel, aber ein durchaus gangbarer Weg zu einem der
Traumgipfel der Alpen.
Anfahrt
& Aufstieg
Rif.
A. Sonnino Coldai (2132 m) - Sent. Tivan - Via Normale - Rif.
Torrani (2984 m) - Civetta (3220 m)
HU
ca.
1200 m, GZ 4 ½ Stunden
Über
den Ostpfeiler der Civetta führt der Alleghesi-Klettersteig
Mit
dem Rif. Torrani ist ein gemütliches Zwischenziel - und eine excellente
Gemüsesuppe - erreicht.
Die
letzten Meter zum Gipfel ...
Vom Rif.
A. Sonnino Coldai (zu erreichen via Rif. Tissi bzw. Rif. Cittá
di Fiume) am rot markierten Weg 557 unter den Vorgipfeln der
Civetta Monte Coldai (2396 m), Torre Coldai (2600 m), Torre d'Alleghe
(2649 m), Torre di Valgrande (2715 m) und Punta Civetta (2892 m) über
zwei gesicherte Kletterstellen, ansonsten aber auf gutem Weg bis zum
Einstieg der Via Ferrata degli Alleghesi. Da diesen schwierigen Klettersteig
(C/D, II) lieber Könnern überlassen, marschieren wir noch
etwa 15 Minuten weiter, ehe eine Felsaufschrift "Via Normale"
nach rechts lenkt (Weg 558). Anfangs eventuell über ein
Schneefeld, dann der wohl anstrengendste Teil der Tour: Ein steiler,
"bröseliger" Geröllhang - ein Schritt vor, zwei
zurück -, über den es sich etwa zwei Stunden hinaufzukämpfen
gilt. Das zehrt an den Kräften, an der Geduld und der Motivation.
Sobald jedoch die erste gesicherte Kletterpassage erreicht ist, hat
auch die Hundsplage ein Ende gefunden. Nun heißt es zupacken,
folgt doch Kletterei über Kletterei über gut gesicherte Platten,
kleine Felsaufschwünge und Schrofen, was allerdings sogar Anfängern
taugt, weil man schnell und spannend Höhe gewinnt.
Die bestens
mit Stahlseilen versicherten neuralgischen Stellen überschreiten
nie Schwierigkeit A-B, dazwischen darf man auf Gehpassagen ein wenig
verschnaufen. Die roten Markierungspunkte sind bei Nebel allerdings
schwer zu finden, weswegen bei unsicheren Wetterverhältnissen von
einer Tour abzuraten ist.
Bei gutem Wetter allerdings sind die etwa 1000 Höhenmeter schnell
überwunden. Sobald man die winzige Biwakhütte Rif. Torrani erreicht hat, wird man es beinahe geschafft haben. Für uns gehörte
die Ankunft in der kleinen Hütte zum wohl nachhaltigsten Erlebnis
der Tour. Über ihr werkte ihr Hüttenwirt, ein junger, nach
eigenen Angaben "grazy" Freak, der hier drei Monate
am Stück verbringt und Gäste wie uns liebevoll bewirtet: Mit
einer Gemüsesuppe etwa, wie man sie nirgendwo anders findet. Gerade
dass der Löffel nicht in ihr stecken blieb. Gegessen wird an einem
großen Tisch inmitten von etwa 15 Stockbetten, und auch der moderate
Preis von 6,- hat uns überrascht, in "normalen" Dolomiten-Hütten
kostet sie auch nicht weniger.
Legendäres
Suppenlöffeln im Rif. Torrani
Von der
Hütte sind es nur mehr 35-40 Minuten und ein paar Kletterseile,
ehe das Traumziel, das kleine, metallene Gipfelkreuz der Civetta erreicht ist. Dort auch der für uns eindrucksvollste Augenblick:
Aufgestiegen durch eine düstere, kalte Wolkensuppe, betraten wir
just am Gipfel die Wettergrenze und eröffnete sich uns ein unbeschreiblicher
Ausblick über das Herz der Dolomiten - das Rif. Tissi und Alleghe
unter den atemberaubenden Steilwänden der Civetta, der Monte Pelmo
in unmittelbarer Nähe, die Marmolada, der Piz Boe, in weiter Ferne
die Schneedächer der Hohen Tauern. Solche Augenblicke sind unbezahlbar,
weil unvergesslich. Da ist dankbar, dass man sich die 1200 schweren
Höhenmeter hinaufgeplagt hat. Zu unserer Gipfelfeier gesellen sich
noch einige höhenfeste Bergdohlen hinzu, die glauben, mit einigen
Flugakrobatik-Vorführungen an unseren Nusslikör gelangen zu
können.
Wir schauen, staunen, stoßen an, sind glücklich. Für
Flo ist's der erste Dreitausender, für Ju und Berni der bisher
schwerste. Auch das ein Grund zum Feiern.
Dieser
Augenblick, als wir die Wettergrenze überschritten, bleibt wohl unvergessen.
l.
Alleghe mit See, r. die Steilwände der Civetta
Abstieg
Wie
oben HU
ca. 1200 m, GZ 3 ½ Stunden
Na ja, so arg wie Ju tut, war's denn doch nicht ...
Für
den Abstieg bleibt uns nur der Aufstiegsweg, die Civetta weist nur eine
einzige halbwegs sanfte Seite auf. So wird abgeklettert, bis die Wadln
glühen, die Knie krachen und die Finger schmerzen. Aber man nimmt's
in Kauf, schließlich war man ja oben, hat man für sich eine
Grenze überschritten, was mehr wert ist als Knieschmerzen und ein
paar Blasen an den Fingern.
Am Ende noch der lästige Geröllhang, über das Schneefeld
wird kurzerhand abgefahren, den Weg um die Ostflanke zum Rif. Coldai kennen wir zwar schon, sind aber dennoch über die zwei langen Kletterpassagen
erstaunt. Vielleicht haben wir in der Früh ja doch noch geschlafen
oder vervielfacht Müdigkeit jede noch so kleine Anstrengung. Einerlei,
in der Coldai-Hütte wartet schon ein Bier auf uns, das haben wir
uns wirklich verdient, das baut wieder auf und lässt uns erst jetzt
richtig bewusst werden: Die Civetta gehört uns.
Langer
Klettersteig A-B, bei Nebel Orientierungsprobleme; Trittsicherheit, Schwindelfreiheit,
Orientierungsvermögen und eine sehr gute Kondition unbedingt notwendig