15
Minuten braucht es für die Zubereitung von Palatschinken, 15 Minuten,
um diesen Text zu lesen, 15 Minuten, die man unter einer Lawine überlebt.
Statistiken zeigen, dass die Chance, in einer Lawine mit dem Leben davonzukommen,
in der ersten Viertelstunde sehr groß ist.
Zwischen 15
und 35 Minuten tritt der "tödliche Knick" der Überlebenswahrscheinlichkeit
ein. In dieser Zeit sterben alle Verschütteten ohne Atemhöhle
an raschem Ersticken. Nur mit sehr großen Atemhöhlen oder einer
Luftverbindung nach außen sind auch längere Überlebenszeiten
möglich.
Ob
ein Mensch eine Lawine überlebt oder nicht, hängt entscheidend
davon ab, wie er und seine Kameraden sich während des Lawinenabganges
verhalten, welche Ausrüstung dabei ist und wie schnell der Verschüttete
gerettet werden kann.
Hinweis:
Dieses Special ersetzt keineswegs einen Lawinenkurs, wo das richtige Verhalten
on tour, der Umgang mit dem LVS-Gerät, die Kameradenrettung, Erste
Hilfe etc. geübt wird. Die Alpenvereine, deren Sektionen und jede
Bergsteigerschule bieten Seminare, Vorträge und Praxiskurse an, die
am besten jährlich besucht werden, um Kenntnisse aufzufrischen bzw.
dem aktuellen Stand der Technik und Forschung anzupassen.
Um
aber generell nie von einer Lawine verschüttet zu werden, die wichtigsten
Regeln für eine Skitour vorneweg.
|
Erste Faustregel: Im Zweifelsfall gar nicht starten bzw. umkehren
Zweite Faustregel: Es gibt keine zweite Faustregel
Etliche Tage vor der Tour den (lokalen) Lawinenlagebericht
im Zielbereich studieren und unbedingt die lokalen Lawinenwarnungen
durch Gendarmerie, Bergführer, Bergrettungsdienst, Pistendienst,
Hüttenwirte, Telefondienst und Rundfunk beachten
Lawinenwarnstufen beachten und
richtig interpretieren
Wetter be(ob)achten: Ausgiebige und anhaltende Schneefälle
verbunden mit starkem Wind und Frost bedingen höchste Lawinengefahr.
Heftiger Schneefall bei Windeinwirkung bedeutet große Lawinengefahr.
Starke Erwärmung, eventuell verbunden mit Regen oder Föhn bei
hoher Schneelage, verursacht ebenfalls Lawinengefahr!
Gelände beachten: Vor allem auf (wind-)schattig gelegenen
Hängen besteht örtlich begrenzte Lawinengefahr.
Das Befahren gesperrter Pisten ist mit hohem Risiko verbunden,
Lawinenwarnschilder sollten genau beachtet werden.
Keine Skitour ohne alpine Erfahrung
Nie ohne VS-Gerät, Lawinensonde und Lawinenschaufel
Nie
alleine
Beachten von Alarmzeichen wie "Wumm"-Geräuschen,
Rissen beim Betreten der Schneedecke, Lawinenabgängen in der Nähe,
Lawinensprengungen, verschütteten Spuren
Bei schlechter Sicht umkehren
Bei Gefahr - besser umkehren als einen Unfall riskieren
Hände
aus den Schlaufen der Stöcke nehmen und keine Fangriemen
(Ausnahme: Gletschergelände) verwenden (Stöcke und Ski ziehen
wie Anker in der Lawine in der Tiefe und behindern das "Schwimmen"
gegen den Sog der Lawine), bei kritischen Passagen Rucksack-Bauchgurt
öffnen
Limits bei der Hangsteilheit:
- Beim mäßiger
Lawinengefahr (Stufe 2) Verzicht auf extrem steile Hänge
mit mehr als 39° Neigung
- Bei erheblicher
Lawinengefahr (Stufe 3) Verzicht auf steile Hänge mit mehr
als 34°, kein felsdurchsetztes Steilgelände
- Bei großer
oder sehr großer Lawinengefahr (Stufe 4 und 5) Verzicht
auf Touren außerhalb markierter Skipisten
- Als relativ
verlässliche Alarmzeichen für Schneebrettgefahr
gelten Wumm-Geräusche und darauf folgende Fernauslösungen
an benachbarten Hängen sowie spontane Auslösungen (typisch
für die Stufe 3, erheblich, mindestens jedoch Stufe 4, große
Lawinengefahr)
Hilfsmittel zur Bestimmung der Hangneigung
- Höhenlinien
mittels Böschungsmaßstab aus einer topografischen
Karte im Maßstab 1: 25 000 entnehmen.
Böschungsmaßstab
und Höhenlinien einer topografischen Karte
- Hangneigungsmesser
oder SnowCard
SnowCard
Abb.
links: Bei gleichlangen Stöcken ist der Hang 45 Grad steil, wenn
der untere Stock senkrecht steht und der obere im rechten Winkel dazu;
Abb. rechts: Bei flacheren Hängen einen Stock in den Schnee
drücken und an den Enden des Abdrucks je einen gleichlangen Stock
ansetzen. Steht der talseitige Stock senkrecht, ist der Hang 30° steil.
Kippt er zum Berg, ist die Neigung geringer; kippt er zum Tal, sind es
mehr als 30°
- Schätzen
der Hangneigung - Spitzkehren müssen meist ab 30° angelegt
werden, bei Abfahrten wird bei 35-37° umgesprungen ...
Strategien zur Minimierung des Risikos
Die aktuellsten Strategien zur Gefahrenreduktion
sollen hier nur erwähnt werden. Manche davon sind so komplex, dass
sie den Rahmen dieses Specials sprengen würden. Für die Praxis
müssen sie verstanden, gelernt und immer wieder trainiert werden
- am besten bei einem Lawinenkurs:
- Reduktions-
und 3x3-Filtermethode von Werner Munter. Das Ziel dieser Methode
ist es, durch systematische Informationssammlung die existierende Lawinengefahr
auf ein vertretbares Maß zu reduzieren. Die Faktoren 1.
Schnee- und Wetterverhältnisse, 2. Gelände, 3. Mensch werden
durch die Filter 1. regional, 2. lokal, 3. zonal betrachtet.
- SnowCard:
Das Risiko wird unter Berücksichtigung von Gefahrengrad, Steilheit
und Exposition visuell dargestellt.
- Stop
or Go: Die vom Österreichischen Alpenverein erstellte Entscheidungsstrategie
konzentriert sich auf die Kontrolle der Hangneigung und diverser sichtbarer
Gefahrenzeichen.
Belastung der Schneedecke
Die Belastung einer labilen Schneedecke allein durch einen
Menschen kann eine Lawine auslösen. Besonders bei der Abfahrt entstehen
die größten und für labile Schneedecken ungünstigsten
Bedingungen:
- Stehen
belastet die Schneedecke mit dem Gewicht des Körpers
- Gehen:
1-2faches Körpergewicht
- Spitzkehre:
2-3faches Körpergewicht
- Abfahren/Schwingen:
3-5faches Körpergewicht
- Sturz:
6-7faches Körpergewicht
Merksätze zur Schneedecke
- Eine mächtige
Schneedecke ist stabiler als eine dünne
- Je kürzer
die letzte Neuschneeperiode oder Triebschneeablagerung
zurückliegt, umso weniger Zeit hatte der abgelagerte Schnee, sich
mit der Schicht darunter zu verbinden.
- Eine Temperatur
von etwa 0° wirkt sich verstärkend auf die Setzung der
Schneedecke aus, unter minus 8° verlangsamend.
Sicherheitsregeln
in der Gruppe:
- Die Anweisungen
des Bergführers bzw. des Erfahrensten werden befolgt
- Gegenseitige
Kontrolle der VS-Geräte beim Start
- Die angesagte
Organisationsform (einzeln fahren, Spur fahren etc.) wird eingehalten
- Es wird
einander nicht überholt, vor allem der erste (Bergführer)
bleibt der erste
- Der vorher
bestimmte Schlussmann mit dem Erste Hilfe-Ausrüstung bleibt
immer der Schlussmann und überholt niemanden
- Als Sammelpunkte
werden immer sichere Punkte wie Kuppen, Rücken, Flachstücke
gewählt
- Steilhänge,
Rinnen und im Gelände über 35° immer konsequent bis zum
letzten einzeln von einem sichereren Standplatz aus befahren. Vorteile:
Bei Lawinenabgang wird nur einer verschüttet, die Schneedecke wird
weniger belastet, ungestörtes Abfahrtsvergnügen
- Alle
beobachten den jeweils Aufsteigenden bzw. Abfahrenden, damit
bei eventuellem Lawinenabgang Liegepunkt und Suchbereich bestimmt werden
können.
- Die Gruppe
hält immer oberhalb des Bergführers an
- Spurfahren
bei ungünstigen Schnee- und Sichtverhältnissen, vor allem
in Gletscher- und Felszonen. Die Spur muss so einfach und flach sein,
dass auch langsamere mitkommen.
- Immer
in Sicht- bzw. Rufweite gehen
- Beim
Queren steiler Hänge große Abstände einhalten
- Fahrweise
und Geschwindigkeit werden dem Gelände und dem Können
angepasst
- Der Langsamste gibt das Tempo der gesamten Gruppe vor
- Stockzeichen:
- Beide
Stöcke seitlich gehalten = nicht vorbeifahren
- beide
Stöcke über Kopf gekreuzt = Stopp
- Ein
Stock nach links oder rechts gehalten = nur in diese Richtung fahren
- Mit
einem Stock winken = der Nächste kann fahren
Fehler und Irrtümer
- Fehler:
- Bei
Sonnenschein und klarem Himmel wird das Lawinenrisiko gerne übersehen
- Alarmzeichen
werden so interpretiert, dass das Tourenziel nicht gefährdet
wird
(z.B. "Die Sonne festigt die Schneedecke schon ...")
- "Mir
passiert sowieso nichts und der Gipfel muss unbedingt her ...
"- Ehrgeiz und Sturheit verhindern den Abbruch einer Tour
- Keine
oder falsche Tourenplanung
- Zu
viele Gruppenmitglieder, keiner gibt die Kommandos
- Falsche
Zeitplanung
- Mangelhafte
oder keine Informationen zu den Lawinenverhältnissen vor Ort
- Zu
wenig Erfahrung
- Unpassende
Touren- oder Routenwahl
- Irrtümer
- Lawinenabgänge
gibt es nur während und kurz nach Neuschneefällen
- Je
höher die Gefahrenstufe, desto mehr Unfälle. Falsch. 66
% aller Lawinenunglücke passieren bei Warnstufe 3 (= erheblich),
da diese am meisten unterschätzt wird.
- Bei
Kälte lösen sich keine Lawinen
- Häufig
befahrene Hänge sind lawinensicher
- Kurze
Geländestufen sind nicht gefährlich
- Im
Wald gibt es keine Lawinengefahr. Felsen
und Bäume stabilisieren die Schneedecke keineswegs,
auch im Wald können Schneebretter abgehen.
- Bei
geringen Schneehöhen können sich keine Lawinen bilden
- Je
mehr Schnee, desto gefährlicher. Falsch. Gerade schneearme
Winter sind besonders gefährlich. Je weniger Schnee es gibt,
desto größer ist der Temperaturunterschied innerhalb
der Schneeschicht, desto weniger sind die Schichten miteinander
verbunden. Die Folge: Einzelne Schichten "schwimmen" und
lösen sich leichter von anderen.
- Wo
schon jemand gegangen ist und sich Spuren finden, kann keine Lawine
abgehen
- "Wumm"-Geräusche
deuten auf eine Setzung der Schneedecke hin
|